Porträts

Crétin

Der damalige französische Präsident (2012-2017) François Hollande fuhr gerne heimlich, manchmal auch offiziell mit dem Motorroller durch Paris. Offiziell aus PR-Gründen und heimlich wegen einer Geliebten. Die Franzosen mögen die Liebe, aber sie mochten diesen Präsidenten selbst im Rausch der Hormone überhaupt nicht. Jenen François Hollande wollten sie nur noch loswerden. So wünschten sich viele nach dem ersten Spott, er hätte den Roller doch vollgetankt, würde möglichst weit fahren und hoffentlich nie zurückkehren. Irgendwann begriff sogar Hollande diese Signale und warf das Handtuch. Er trat zur nächsten Wahl erst gar nicht an, vermied so das Desaster. Freude durchfloss das Land. Aus dem Scherbenhaufen seiner Politik stieg dann Emmanuel Macron wie ein Messias empor. Zur Erleichterung aller machte sich Hollande vom Acker und von dannen. Nun aber zieht er als politisches Gespenst vor Mikrofone und Stifte, um vor den Linken, vor Mélenchon, vor der Volksunion (Volksfront) und allem zu warnen, was neoliberaler Politik störend im Weg stehen könnte. Ein angeblicher Sozialist verrät alles, was er den Leuten einst als sein Leben und seine Anschauung verkaufte. Allein seine Anhänger, wie seine Zuhörerschaft sind arg begrenzt, mögen Medien seine Geräusche noch so klingend verbreiten. Zumindest ihre Hollande-Lektion haben viel Franzosen offenbar gelernt.

In Frankreich ist der Volks-verblödende Teil der Medien so unterwegs wie hierzulande. Auch bei den Nachbarn besteht die Berufung der Presse nicht mehr nur darin, Profit zu machen, sondern bewusst Meinungen zu manipulieren und Propaganda zu treiben. Journalismus eher selten auf der Tagesordnung, allerdings in Nischen noch vorhanden. Dort gibt es dann sogar journalistische Qualität, doch die Masse ist so, wie man Massenmedien in dieser Welt kennt. Im Themenfeld Außenpolitik sind französische Medien interessant, innenpolitisch auf neoliberalem Kurs, manchmal Feldzug. Typisches Gebaren von Konzernmedien und ihren Angestellten, um Interessen zu wahren. Handlanger dafür lassen sich immer finden, sogar unter französischen Ex-Präsidenten. François Hollande war von 2012 bis 2017 Staatspräsident von Frankreich. Ein Mann ohne Eigenschaften auf dem Stuhl von de Gaulle und Mitterrand. Er galt als Politiker der Parti socialiste (Sozialistische Partei), deren Vorsitzender er von 1997 bis 2008 war, die ihn sogar 2012 zu ihrem Kandidaten für das Präsidentenamt machte. Die Wahl gewann Hollande gegen den Amtsinhaber Nicolas Sarkozy, von dessen Großmannssucht und Korrumpelei die Franzosen die Nase voll hatten. Dessen Sozialkahlschlag wollten sie nicht weiter ertragen. Sarkozy der unbeliebteste wie schlechteste Präsident der Nachkriegszeit. Es war ein historischer Moment, den auch ein Besenstiel siegreich gestaltet hätte. Da ein solcher nicht kandidierte, schlug die Stunde des François Hollande. (Nach Mitterrand hatten die Franzosen nur noch Fehlbesetzungen im Élysée-Palast, was sie aber stets erst nach der Wahl merkten. Emmanuel Macrons erste Wahl ließ Hoffnung, die zweite fand im Dilemma einer Wahl zwischen Cholera oder Pest statt, muss insofern losgelöst betrachtet werden. Jacques Chirac war immerhin noch altes Frankreich, welches sich ab und an auch den USA verweigerte. Man denke an den illegalen Irak-Krieg. Es ehrt Chirac bis heute, Dominique de Villepin war sein Außenminister. Sarkozy wie Hollande eben nur noch eine Schande und Peinlichkeit für Frankreich.)

Nachher ist man immer schlauer. Den Franzosen stand damals ihr blaues Wunder nebst Erkenntnisgewinn mit Hollande noch bevor. Besser ihr neoliberales Wunder. Sie ahnten nicht, was (wer) da auf sie zukam. Nach fünf Jahren übertraf Hollande seinen Vorgänger Sarkozy an Unbeliebtheit um Längen und war so tief im Ansehen gesunken, dass er nicht einmal auf die Idee kam, nochmals anzutreten. Es ging das Bonmot um, er würde bei erneuter Kandidatur nur eine Stimme an der Wahlurne erhalten, nämlich seine eigene. Doch selbst diese Fähigkeit, seine Stimme richtig abzugeben, wurde am Ende seiner Amtszeit von vielen Franzosen angezweifelt. Das Duo Sarkozy und Hollande hat das Staatsmodell, die Fünfte Republik von de Gaulle, arg ramponiert, das alte Parteiensystem von innen und völlig unbeabsichtigt zerstört. Es schlug die Stunde des Emmanuel Macron, das neoliberale Establishment wusste mit diesem smarten Kandidaten das politische Vakuum zu füllen, schlug erfolgreich zu und sich auf dessen Seite.

Der unpopuläre Neoliberale. Diente schon im Amt nur als Witzfigur. Frankreichs Ex-Präsident François Hollande steht für Totalversagen.

Der verheerende und trottelige Wegbereiter dafür vor allem Hollande, der den schlimmsten und neoliberalsten Politiker, der je im Nachkriegsfrankreich Verantwortung trug, Manuel Valls, zum Ministerpräsidenten ernannte. Valls ruinierte mit Hollande die Sozialistische Partei, betrieb eine reaktionäre und neoliberale Politik für Eliten und zog den unbekannten Investmentbanker Emmanuel Macron durch dessen Ernennung zum Wirtschaftsminister auf die politische Bühne. Macron bewies bald seine Klugheit und Wendigkeit, indem er sich von den im Volk verhassten und verspotteten Valls und Hollande distanziere, auf Abstand achtete. Der Schüler wurde seinen angeblichen Meistern schnell überlegen. Das diplomatische Geschick, welches Macron als Präsident nach außen durchaus an den Tag legt, half ihm schon damals auf die Siegerstraße. Die medialen und finanziellen Bataillone der Neoliberalen besorgten den Rest, die Franzosen gingen ihm bei seiner ersten Wahl noch relativ optimistisch auf den Leim. Die Zweitauflage war dann schon politisches Gift, weil Macrons größter Trumpf stets die Gegenkandidaten Marine Le Pen hieß. Macron hat Le Pen und deren Rassemblement National (Front National) nie wirklich bekämpft. Den Eliten Frankreichs aus Geld, Macht, Medien und Wirtschaft konnte nichts Besseres passieren. Le Pen war immer Macrons eiserne Lebensversicherung, weil er damit die zersplitterte Linke in der finalen Auseinandersetzung an seine Seite zwang. Zweimal ging die Rechnung blendend auf. So ließe sich – eine dauerhaft uneinige Linke vorausgesetzt – die Herrschaft eines neoliberalen Politikmodells über Frankreich auf Jahrzehnte sichern. Macron ist vieles vorzuwerfen, die Uneinigkeit der Linken und die Ohnmacht der Wähler allerdings nicht. Er wusste diese Dinge stets klug für sich zu nutzen. Nun, wo die Linke sich einigermaßen geeint in die Parlamentswahl begibt, lässt Macron sogar politische Leichen vom Schlag Hollandes ausgraben, um sie sich nutzbar zu machen.

Dieser unselige Lauf der französischen Innenpolitik begann mit Sarkozy und gewann mit Hollande an Tempo. Auf keinen Politiker wird der Begriff Crétin so oft angewendet wie auf Hollande. (Im weiteren Sinne ist ein Crétin eine Person, die als unintelligent gilt. Viele Franzosen meinen allerdings, man würde einem Crétin mit diesem Vergleich Unrecht tun. Nun ja.) In Frankreich haben Bürger längst eine Hollande-Formel: Fünf Jahre Präsident Hollande sind fünf Jahre Scham über das Zerstören des Arbeitsgesetzbuches und der schlimme Versuch, sogar Demonstrationen zu verbieten. Ein ehemaliges Mitglied der PS und deren Wähler dazu: „Dieser Typ hat das ganze Land sozial zerstört und erteilt weiterhin Lektionen, ordnet die guten Linken und die schlechten Linken. Eine unglaubliche Frechheit.“ Ein Twitter-Nutzer zu dem TV-Interview mit Hollande, in dem dieser seine Propaganda gegen die linke Volksunion absonderte: „Wahnsinn, wie zynisch er auf die Wähler spuckt, die ihn 2012 gewählt haben.“ Als Hollande die sinnlose und die Linke spaltende Kandidatur der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo unterstütze, fiel diese umgehend von beschämenden 2,5 Prozent noch tiefer auf 1,7 Prozent in den Umfragen. Diese 1,7 waren dann auch ihr Ergebnis. Mehr muss man über Hollande, der nun wie ein bezahlter Lakai in Talkshows rumgammelt, um die Volksunion zu diffamieren, nicht sagen. Präsident Macron hat diesem willigen Helfer auch nicht zu viel Aufmerksamkeit geschenkt, er ist klug genug, den Rohrkrepierer in Hollande zu erkennen, der einem am Ende noch um die eigenen Ohren fliegen kann. Wenn die neoliberalen Divisionen am Ende über die Volksfront obsiegen, was nicht ausgeschlossen, Geld, Macht, Medien können fast alles bewirken und einfädeln, wird sich Hollande zu den Siegern zählen. Allerdings ist man sich in Frankreich in allen politischen Lagern einig. Selbst seine jetzigen Kumpel, die ihn nur als nützlichen Idioten verwenden, werden ihn nach der Wahl wieder dahin werfen, wo die Franzosen ihn schon abgelegt, auf die Müllhalde der Geschichte.

*Beitragsbild: Frankreichs Ex-Präsident François Hollande (Screenshot: TV france inter)

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