Wer nichts mit Musik und speziell Rock ’n‘ Roll anfangen kann, weder an Robert Plant noch an Led Zeppelin Interesse hat oder wenigstens ein Stück Neugier darauf in sich trägt, sollte hier erst gar nicht weiterlesen. Zu viel Text und noch mehr Worte. Bleiwüste. Für den Rest geht es mit Fußball los. Wer sich ein Fußballspiel der Wolverhampton Wanderers ansieht, könnte bei einem Kameraschwenk über die Tribünen einen Mann entdecken, der sofort an den sagenumwobenen Gandalf aus „Der Herr der Ringe“ erinnert. Als säße dort eine Idealbesetzung. Wallendes, lockiges und langes graues Haar über die Schulter, mit einem weisen Gesicht und wissend wachen Augen. Der Mann ist, seit er 2009 dazu ernannt wurde, Vizepräsident der Wolves, ein lebenslanger und äußerst heißblütiger wie enthusiastischer Fan des Teams seiner Geburtsstadt, wo er 1948 in grauen und kargen Nachkriegszeiten das Licht der Welt erblickte. In der Nähe der Ehrenlogen sitzt er nicht so gern, zieht sich lieber mit normaler Dauerkarte ins Volk zurück. Fußballbonzen sind nicht sein Geschmack. Nach eigener Aussage brauchte der damals noch nicht ergraute Herr, als die notorisch erfolglosen Wolves 1974 in London den eher zweitrangigen Ligapokal gegen den FC Liverpool gewannen, „drei Tage, um von Wembley nach Worcestershire nach Hause zu kommen, ohne bis heute zu wissen, wo ich überall war. Ich nehme an, es ist ein bisschen wie eine Religion, aber ich trage dieses Kruzifix heutzutage nicht mehr durch das ganze Wochenende.“
Die Rede ist hier nicht von einem Schauspieler, Rentner mit Hobby und Zeit oder einem gelangweilten Ex-Fußballer, sondern von Robert Plant. Der hat sein Leben lang nicht nur eine Menge für den Fußball übrig, sondern gleichermaßen für J. R. R. Tolkien und dessen „Der Herr der Ringe“. Übrigens weit bevor Tolkien vermarktet oder gar verfilmt und massenkompatibel verklappt wurde. Plant musste seinen Kindern den Herrn der Ringe nicht vorlesen, er konnte ihn erzählen. Daher hinkt der Gandalf-Vergleich nicht so stark, wie beim ersten Klang vielleicht angenommen. In seiner größten Profession ist dieser Robert Plant natürlich ein Vollblutmusiker seit über 50 Jahren. Echte und lebende Legende in seinem Fach. Sofern man einen Nerv für oder Draht zur Musik hat, Plant nie gehört hat, ist das so, als wäre man enthusiastischer Fußballfan in unseren Tagen und hätte die letzten 20 Jahre Messi niemals spielen sehen. Robert Plant besitzt kein musikalisches Königreich, er ist ein musikalischer Planet. 2008 wurde Plant von Redakteuren der Zeitschrift Rolling Stone (Nicht mit den Rolling Stones zu verwechseln.) auf Platz 15 ihrer Liste der 100 besten Sänger aller Zeiten gesetzt. Im Jahr 2009 wurde Plant in einer vom Radiosender Planet Rock durchgeführten Umfrage zur „größten Stimme im Rock aller Zeiten“ gewählt. 2011 wählten die Leser des Rolling Stone Plant als den größten aller Leadsänger. Robert Plant? Der schmunzelt über solche Zuschreibungen eher und nimmt sie nicht allzu wichtig, weil ihm die Musik und aktuelle Projekte bis heute wichtiger. Man darf sagen, außer Mick Jagger hat/hatte wohl kein Sänger des Rock ’n’ Roll ein größeres Bühnen-Charisma als Robert Plant und die Massen auch damit immer an seiner Leine. Noch heute spürt man diese Ausstrahlung bei allen Plant-Auftritten, ob solo oder mit anderen Musikern. Das eigentliche Faszinosum natürlich die Stimme.
Ende der Sechzigerjahre zog der Planet Plant erstmals eine erkennbare Bahn. Im Jahr 1968 hatten die Beatles ihren Höhepunkt überschritten, die Rolling Stones liefen ihnen den Rang ab. Namen wie Lennon, McCartney, Jagger, Richards waren schon Rock ’n’ Roll Geschichte und brachten Massen zur Raserei. Genau zu diesem Zeitpunkt suchte der geniale Gitarrist und Rockmusiker Jimmy Page Musiker und Mitmacher für eine Bandgründung. Er fand den bemerkenswerten John Paul Jones, musikalisches Multitalent und grandioser Bassist wie Keyboarder. Ideal für eine Band. Außerdem kam ein gewisser Robert Plant des Weges, der Gitarre und Mundharmonika nach Pages hohen Ansprüchen spielen konnte, aber vor allem eines hatte, eine der außergewöhnlichsten Stimmen, die je vor ein Mikrofon gekommen sind. Im Schlepptau hatte Page noch einen Kumpel aus Kindertagen mitgebracht, den Drummer John Bonham. Das Quartett wurde sich einig, wollte es zusammen versuchen. Es ward geboren „Led Zeppelin“, die sich auf einen Weg machten, der 12 Jahre andauerte und Rock ’n’ Roll Geschichte schrieb.
LED ZEPPELIN
Im Rückblick bis in die musikalische Gegenwart eine absolute Gigantenband der Geschichte des Rock ’n’ Roll. Was diese Band in den 12 Jahren ihrer ersten Existenz erreichte und an Musik bot, bleibt in Teilen bis heute unerreicht. Das sagt ein ausgewiesener Rolling Stones-Fan, zu denen sich der Schreiber dieser Zeilen aus Überzeugung bekennt. Der Vergleich mit den Stones wird noch bemüht werden, aber nicht nach dem Motto „wer nun besser und großartiger war.“ Toll, dass es mehrere grandiose Schlachtrösser in der Bandgeschichte des Rock ’n’ Roll gab und gibt. Es seien noch Deep Purple, The Who, The Doors, Pink Floyd genannt, ebenfalls Giganten. Nur eine Meinung, aber Led Zeppelin und The Rolling Stones über diesen Größen noch eine Liga der Extraklasse für sich. Leadsänger und Frontmann von Led Zeppelin, jener Robert Plant. Markenzeichen von Plant wurde schnell das wallende Lockenhaar, das offene Hemd, sein Umgang mit Mikro und Mikrofonständer und eine Stimme, die, so man sie einmal gehört, wie aus einer anderen Galaxie zu uns sprach. Für alle Beteiligten von Led Zeppelin eine zentrale Musik- und Lebensstation, weil sie sehr schnell Teil einer sich entfaltenden Legende wurden, die sie selbst geschaffen haben. Für einen dieses Quartetts wurde Led Zeppelin leider auch zur tragischen Endstation. Unglücke sind ein roter Faden des Rock ’n’ Roll.
Es ist zu erzählen von einer Zeit, wo Musiker tatsächlich noch Instrumente spielten und dieses absolut brillant wie exzessiv konnten. Oftmals live aufgenommen und alles in einem Take. Sänger, Schlagzeuger und vor allem Gitarristen von außergewöhnlicher Qualität, wie es sie, mit Verlaub, in dieser besonders zwischen 1960 und 1980 an den Tag gelegten Außergewöhnlichkeit so nicht mehr gibt. Mittenmang in diesem Zirkus Led Zeppelin. Die Band schoss schnell nach oben und gewann weltweit Fans mit ihrem harten, unverstellten Rock ’n’ Roll. Was bei den Rolling Stones das Kreativgespann Jagger und Richards, bei den Beatles natürlich Lennon/McCartney, das war bei Led Zeppelin das Duo Plant/Page. Schon früh griff Plant dabei auf sein Interesse an Tolkien und seine Kenntnisse keltischer Sagenwelten zurück, die er in Texte und Musik einfließen ließ und für die er zeit seines langen Musikdaseins bis in unsere Tage immer ein Faible bewahrte. Bandgründer und Gitarrist Jimmy Page ging dabei in der Led Zeppelin Ära oft mit. Sehr zum Gewinn der Musik. Die von Plant/Page komponierte Musik und geschriebenen Texte „Ramble On“, „Misty Mountain Hop“ und „The Battle of Evermore“ nehmen direkt Bezug auf Tolkiens „Der Herr der Ringe“ und haben starke Bezüge zur Folkmusik. Aber das war nur ein Teil von Led Zeppelin.
Natürlich gelang vor allem mit hartem Rock ’n’ Roll der Durchbruch von Led Zeppelin und machte eine schnell wachsende Gemeinde von Fans fast wahnsinnig. So etwas hatte noch niemand gehört. Schnell ging eine Aussage der Led Zeppelin Fans durch die Musikszene, welche von Anhängern anderer Bands nur schwer zu entkräften war: „Der beste Frontmann und Sänger (Plant), der beste Gitarrist (Page) und der beste Schlagzeuger (Bonham) der Welt machen die beste Band des Rock ’n’ Roll auf der Welt.“ John Paul Jones wurde dabei manchmal nicht erwähnt, was ungerecht. (Die Bemerkung sei jetzt bitte einem Stones-Fan erlaubt: Mit Jagger, Richards, Watts und auch Ron Wood/Mick Taylor/Bill Wyman lässt sich hier natürlich absolut mithalten!) Dennoch schwillt den Led Zeppelin Fans der Kamm bis heute durchaus berechtigt. Ihre Überzeugung hat Grundlagen. Bei Umfragen großer Rock ’n’ Roll Magazine der letzten Jahrzehnte sind Bonham als bester Schlagzeuger und Page als bester Gitarrist aller Zeiten immer ganz weit vorn und auch Robert Plant stets in den Medaillenrängen. Aber Musik ist kein Hundertmeterlauf, solche Wertungen immer auch Geschmacksfrage. Doch unendliche Qualität und Kreativität, sehr oft mehr hörbar als bei anderen Bands, zeichneten Led Zeppelin über ein Jahrzehnt aus.
Led Zeppelin war auf der Bühne und in Livekonzerten unterschiedlich unterwegs, durchaus mit qualitativen Kurven nach oben wie unten. Im Studio galten sie vielen als die beste Band ihrer Zeit. Ständiger Wegbegleiter – wie bei allen in der Szene – natürlich „Sex and Drugs and Rock and Roll“, selten in Maßen, oft aber in Mengen. Plant sagte viele Jahre nach Led Zeppelin zu dem Teil des Rock ’n’ Roll, der weniger mit Musik zu tun hat, mit einem gewissen Augenzwinkern, man könne kaum die Familie in Städte mitnehmen, wo man einst Konzerte gab. Man sei dort immer in Gefahr, es klopft jemand an der Tür und wenn man öffnet, ertönt ein „Hallo Schatz, lange nicht gesehen“. Die Sache mit dem Sex ließ sich noch mit Ironie behandeln, die Drogen waren dagegen ein völlig anderes und manchmal tödliches Minenfeld. Vor allem bei Konzerten und auf der Bühne machte das manchen Auftritt von Rockbands immer zu einem Abenteuer und brachte oft die Frage aufs Trapez, ob wohl alle den Abend überleben werden. Selten sah ein Rockmusiker wohl zugedröhnter aus, als Jimmy Page bei vielen der Led Zeppelin Auftritte. Dann spielte er immer noch genial, aber eben auch schlampig. Wobei sein schlampig oft besser war als das höchste Level anderer Gitarristen in ihren Glanzmomenten. Ganz so exzessiv sah es bei Plant nie aus, der hatte wohl eine innere Grenze gegen das Zeug, die sich bei Page nicht vermuten ließ. Wie Page überlebte, ist bis heute fast ein Rätsel. Zumal der mittlerweile 78-jährige Page einen vitalen und geistig frischen Eindruck macht, auch die Gitarre noch meisterhaft beherrscht. Vielleicht liegt es an dem, was Keith Richards, der Stones-Gitarrist, der absolute „Drogenexperte“ des Rock ’n’ Roll, einmal mit weit über 70 Jahren sagte: „Ich lebe nur noch, weil ich immer guten Stoff genommen habe.“
Das berühmteste Studioalbum der Band, Led Zeppelin IV ist die wohl beste Visitenkarte, welche eine Band abgeben kann, damit können bis heute nur sehr wenige Musiker und Bands konkurrieren. Led Zeppelin at his best, das Quartett auf seinem musikalischen Höhepunkt. Ein Album, das jeder einmal im Leben hören sollte, der jemals Ohr, Herz, Nerv oder Hirn für gute Musik hatte oder noch hat. Wer wissen will, und das geht schließlich nicht über Erzählungen, wie Led Zeppelin klingt und wo die Größe liegt, der sollte sich diese knapp 50 Minuten Led Zeppelin gönnen und ungestört reinziehen. Es lohnt! An dieser Stelle sollen – natürlich subjektiv – sechs Titel aus dem gesamten Schaffen der Band empfohlen werden, die vielleicht wieder oder erstmals Appetit auf Led Zeppelins Musik und Robert Plants Stimme machen. Wer dann dafür nichts übrig hat, dem ist (leider) nicht zu helfen.
Als Einstieg bitte „Whole Lotta Love“, dann weiß man, was und wer Led Zeppelin und sogar was klarer Rock ’n’ Roll einer neuen Dimension. Die Gitarre von Page, dann kommt der Bass von Jones, gefolgt von Plants Stimme und dann wie MG Feuer der Donner von Bonham am Schlagzeug. In manchen ihrer Liveaufnahmen dabei sogar das Abgleiten ins Psychodelische mit extravaganten Spontansolos von Page und Bonham oder der sich loslösenden Stimme von Plant. Ein komplexes Gebilde. Immer anders dargeboten. Led Zeppelin war stark in der Variation innerhalb ihrer Titel. Dann weiter mit „Immigrant Song“, der mit Bonhams Schlagzeug losgeht und wo Plants Stimme wie ein Messer hineinschneidet. Manches Mikro konnte damals nicht mit. Darauf bitte „Stairway to Heaven“, für viele Fans und Gläubige aus der Led Zeppelin-Gemeinde der größte Titel der Band. So oder so längst ein musikalischer Monolith der Musikgeschichte. Robert Plant, der ihn immerhin mit Jimmy Page gemeinsam getextet und komponiert hat, das Stück außergewöhnlich lyrisch bis hart singt, teilte diese Meinung nie ganz. Er spottete sogar, „wenn Dolly Parton davon eine Cover-Version singen kann, dann wird es wohl nicht so schwer sein.“ Weiter bitte mit „Black Dog“, der Plants Stimme alles abverlangt und zeigt, was dieser Sänger einst können musste und dem Publikum bot. Natürlich darf „Rock and Roll“ nicht fehlen. Der Titel sagt alles und hält absolut, was er verspricht. Die Post geht hier einfach ab. Wenn Led Zeppelin damit auftrat, wurden die Zuhörer Rock ’n’ Roll. Ein echter Kracher. Enden soll diese persönliche Empfehlung mit dem Titel, der für Robert Plant der wichtigste Led Zeppelin Song und eine Art mythische Hymne der Band. „Kashmir“ ist nicht in Worte zu fassen, daher bitte einfach hören. Diese sieben Minuten können über eine musikalische Erfahrung hinausgehen. Mehr kann eine Band wohl nicht leisten. Man kann Plants Urteil nachvollziehen.
Led Zeppelin wirkte im Studio stets perfekt und über die Jahre bei Auftritten immer abgekämpfter. Extremer rockte wohl aus musikalischer Sicht auf solchen Höhen in den Siebzigern keine Band. So etwas fordert seinen Tribut. Drogen und Alkohol gehörten damals zum festen Bestandteil der Szene, wie Akkorde oder Gitarrensaiten. Gerade Band-Gründer Jimmy Page konnte seine Genialität an der Gitarre und seinen Zustand oft nicht mehr wirklich auseinanderhalten und wirkte ziemlich daneben. Einer, der Page in Sachen Gitarre ein Jahrzehnt später durchaus das Wasser reichen konnte, Eddi Van Halen, von Van Halen, kam so zu dem etwas harten Urteil „Jimmy Page spielt oft schlampig“. Die eiserne Disziplin des Durchhaltens und der totalen Professionalität auf der Bühne, die vor allem Mick Jagger den Rolling Stones verordnete, die wahrlich keine Kinder von Traurigkeit, war Led Zeppelin ab einem bestimmten Punkt offenbar nicht gegeben. Man lebte, arbeitete und musizierte sich auch auseinander. Bei der Intensität vielleicht nicht verwunderlich. So eng wie zum Beispiel in guten und schlechteren Tagen die Rolling Stones professionell zueinander standen, selbst wenn es in der oftmals brodelnden Mixtur aus Zuneigung und Hassliebe von Jagger und Richards mal wieder kochte, war das Quartett von Led Zeppelin wohl nicht beieinander.
Für Robert Plant gab es Mitte der 70er-Jahre außerdem harte persönliche Rückschläge der schlimmsten Art. Ein übler Verkehrsunfall brachte ihn fast um seine Beine, er laborierte lange, musste im Studio neue Aufnahmen sogar im Sitzen absolvieren. Im Jahr 1977 dann ein unfassbarer und extrem tragischer Schicksalsschlag. Sein erstgeborener fünfjähriger Sohn Karac Pendragon Plant, zu dem Robert eine sehr enge und innige Beziehung hatte, verstarb an einer Infektion. Eine düstere und schlimme Zeit für Robert Plant. Doch er machte weiter.
Trotz aller Probleme und persönlicher Katastrophen, der Erfolg blieb an der Seite der Band. Led Zeppelin verkaufte 300 Millionen Tonträger, die Rolling Stones 250 Millionen Alben. Noch hielt der famose Erfolg das Schiff Led Zeppelin in der Luft. 1980 eine Europatournee, letzte Station dabei Berlin mit einem Konzert am 7. Juli 1980. Danach war eine Pause vorgesehen und dann im September im Haus von Jimmy Page nahe London die Proben für eine neue Tour. Was immer im Haus passierte, in der Nacht vom 24. September auf den 25. September 1980 verstarb der Schlagzeuger John Bonham im Alter von 32 Jahren, er war an seinem eigenen Erbrochenen erstickt. Drummer John Bonham hinterließ Ehefrau Pat und die Kinder Zoë und Jason. Zwei Jahre vorher war der The Who Schlagzeuger Keith Moon, der als einziger mit John Bonham auf eine Stufe gestellt wurde, an einer Überdosis jenes Medikamentes gestorben, welches ihn vom Alkohol wegbringen sollte. Der Tod von John Bonham war nicht nur Zäsur, er war das Ende. Led Zeppelin löste sich umgehend auf, wobei es noch wegen einiger Verträge und Verpflichtungen zu einem Gezerre mit dem Management kam. Aber der Entschluss von Jimmy Page, John Paul Jones und Robert Plant stand unumstößlich fest. Led Zeppelin ist Geschichte.
Über alles, was in diese Entscheidung hineinspielte, soll nicht spekuliert werden. Künstlerisch nachvollziehbar und menschlich verständlich bleibt sie. Vielleicht hatte man sich sowie verschlissen. Eines war für Led Zeppelin Fans und wohl auch für die verbleibenden Jones, Page, Plant klar, einen John Bonham konnte man nicht einfach so ersetzen. Der galt vielen als bester Schlagzeuger der Welt. Wenn in Rockbands die Frontmänner mal in der Show eine Pause für die Stimme und Erholung für den Körper benötigen, dann muss es auf der Bühne interessant weitergehen. Bei den Rolling Stones singt dann Keith Richards immer einige Solonummern, während Mick Jagger hinter die Bühne verschwindet. Wenn Robert Plant seine Dusche nahm, stieg immer John Bonham ein. Das Stück „Moby Dick“, ein wahnsinniges Schlagzeugsolo um die 15 Minuten lang und Beleg dafür, was dieser Bonham alles mit seinem Instrument konnte. Dass man Musiker nicht wie Kegel ersetzen kann oder wie Fußballer dazukaufen, ist immer wieder zu besichtigen und haben ebenfalls die Rolling Stones erlebt. Ihr Schlagzeuger verschwand allerdings durch Krankheit nach 58 gemeinsamen Jahren im Alter von 80. Charlie Watts war einmalig und ein Gegenmodell zu Bonham, den er persönlich sehr schätzte und mochte. Doch Watts mochte keine Solonummern, die er bei Schlagzeugern für Eitelkeit hielt. Für Keith Richards war Charlie Watts der beste britische Schlagzeuger aller Zeiten.
Die Rolling Stones machten nach dem Tod von Charlie Watts vor zwei Jahren weiter und hörten nicht auf. Sie holten einen erstklassigen und erfahrenen Drummer. Bei ihrer Deutschlandtournee sind sie vor wenigen Wochen bejubelt und gelobt worden für alles, was sie noch drauf haben. Völlig verdient. Doch ob man will oder nicht, und das schreibt ein eiserner Stones-Fan, sie hören sich anders an und wer sie kennt, dem fehlt Charlie gewaltig. Man höre sich nur „Honky Tonk Women“ und das dabei von Charlie Watts gespielte Intro an. Vor dem verbeugt sich ein legendärer Schlagzeuger heutiger Tage wie Lars Ulrich von Metallica vor Ehrfurcht und bekundet es auch öffentlich. So etwas ist unwiederbringlich. Natürlich sind Menschen zu ersetzen, Watts wie Bonham. Ihr Stil ist aber mit ihnen gegangen. Wie dessen Bandkollege Ronnie Wood einmal über Charlie Watts sagte: „Es war ein unglaubliches Gefühl, ihn hinter dir im Maschinenraum zu haben.“ Nur wenige Schlagzeuger vermögen solch einen Einfluss zu beschwören. Watts und Bonham wie Moon konnten es bis zum Tag ihres Todes. Änderung im Maschinenraum verändern jedenfalls die betroffene Band und Led Zeppelin wollte oder konnte sich nicht mehr ändern oder für einen Neuzugang erwärmen. Man war nicht nur schockiert und betroffen, sondern wohl auch ein Stück weit zermürbt und untereinander nicht mehr völlig im Reinen. Die grellen Scheinwerfer des Außergewöhnlichen, die immer gleißend neben den Höhen von Led Zeppelin brannten, waren nach 12 Jahren erloschen, eine Urkraft hatte sich in Zusammenhang mit einer persönlichen Tragödie verflüchtigt und aufgehört zu sein.
Led Zeppelin hatte nicht die Überlebensfähigkeit der Stones und die Fähigkeit des sich regenerieren in und über Krisen, den staunenswerten Härtegrad der Steine. Als Stones-Gründer Brian Jones im eigenen Drogensumpf immer inaktiver und ein Problem für die Band wurde, entließen Jagger, Richards und Watts 1969, den Mann, der sie zu den Stones holte. Die Band war wichtiger als eines ihrer Teile. Mike Taylor ersetze Jones gleichwertig als Gitarrist. Taylors plötzliches Verlassen der Band 1974 ließ 1975 Ronnie Wood an seine Stelle treten. Bis heute nicht nur ein exzellenter Gitarrist, sondern auch guter Geist der Band. Als das Gründungsmitglied Bill Wyman 1993 aufhörte, weil er fürchtete im Drogenstandard des Rock ’n’ Roll doch noch unterzugehen, machten die Stones weiter. An seine Stelle als Bass trat als ständiger Begleitmusiker Darryl Jones. Ein Stein wurde er nicht mehr. Die Stones hielten bis heute Kurs. Verantwortlich auch Mick Jagger, der Rock ’n’ Roll immer auch als Unternehmung und eine Art Schiff ansah. Dieses galt es auf Kurs zu halten.
Led Zeppelin nach Led Zeppelin
Die drei Überlebenden gingen ihrer Wege. Soloprojekte, Erinnerungsprojekte. Plant begann sich irgendwann für neue Musikwege zu interessieren, die ihm bei Led Zeppelin zu kurz kamen, war wieder ganz bei Tolkien und den Kelten. Jones produzierte Musik und spielte ab und an in anderen Bands. Geld hatten alle drei, das Universum Led Zeppelin spülte genug in ihre Kassen, besonders für Page und Planet, die Rechte an den meisten Titeln hielten und besaßen. Ein Kind verloren und fast die Beine, Robert Plant realisierte vielleicht erst jetzt, was ihm alles zugestoßen und dass ausgerechnet die Todeszone des Umfelds Rock ’n’ Roll ihn dennoch hat überleben lassen. Er begann sich bald für Soloprojekte zu interessieren und dies in einer beeindruckenden Art, die bis heute von sich reden macht. Jedenfalls verhallte diese außergewöhnliche Stimme nicht und übersprang bisher alle Alterserscheinungen mit den dadurch einhergehenden Veränderungen. Jones machte für sich das Beste, produzierte auch Musik anderer Bands. Jimmy Page wurde zu einer Art Museumsdirektor für Angelegenheiten von Led Zeppelin. Sobald Jimmy Page zur Gitarre griff, staunten die größten Gitarristen unserer Zeit wie vor einem heiligen Gral. Robert Plant zog jedenfalls los, machte seine Musik und hatte Spaß. Die Legende Led Zeppelin war nicht mehr aus der Welt zu schaffen, hatte sich längst von ihren Mitgliedern losgelöst. So vergingen fünf Jahre.
Da rief 1985 der Rockmusiker Bob Geldorf die Rockbands und Rocksänger dieser Welt zu Live Aid, zwei parallel laufenden, gigantisch und spontan aufgezogenen Wohltätigkeitskonzerten gegen die Hungersnot in Afrika. Die Bühnen waren in London und Philadelphia bereitet. Alle kamen sie, aktuelle Stars, Giganten, ehemalige wie heutige, auch gestrige und pensionierte. Die Stones spalteten sich für das Ereignis. Mick Jagger trat als Solist auf, Ronnie Wood und Keith Richards begleiten Bob Dylan. Jeder brachte sich für einige Minuten ein, die Galerie der Namen und Bands famos. Im Londoner Wembley Stadion traten auf: Paul McCartney, David Bowie, Queen, U2, Status Quo, The Who, Spandau Ballet, Bryan Ferry, Elton John und viele andere. Im John F. Kennedy Stadium zu Philadelphia gaben sich solche Größen wie Joan Baez, Crosby, Stills and Nash, Bryan Adams, The Beach Boys, Santana, Madonna, Neil Young, Eric Clapton und wie schon gesagt Mick Jagger im Duett mit Tina Turner die Ehre. Phil Collins trat in London auf, eilte dann mit dem Flieger über den Atlantik, um rechtzeitig in Philadelphia zu sein. Der Schlagzeuger und Sänger der britischen Rockband Genesis war wegen einer Sensation so flott in der Luft unterwegs. In Philadelphia sollte nämlich Led Zeppelin erstmals wieder auftreten, eine wahre und unerwartete Sensation in der Rockszene. Lag ein Neustart für Led Zeppelin in der Luft, gar eine Wiedervereinigung nebst Comeback mit darauf folgender Tour? Die Gerüchte waberten heiß. Im Gepäck hatte das Trio ihre anspruchsvollen Schlachtrösser „Rock and Roll“, „Wole Lotta Love“, „Stairway to Heaven“. Man trat allerdings nicht als Led Zeppelin auf, sondern als Page-Plant-Jones und brauchte schnell noch einen Schlagzeuger. Der hieß Phil Collins, der behauptete, er kenne die Titel von Led Zeppelin im Schlaf. Die Sensation konnte starten und wurde das Desaster schlechthin.
Das Debakel nahm seinen Lauf schon im ersten Takt. Der eher gefälligen Rock ’n’ Roll machende Collins war für das Feuer von Led Zeppelin nicht gemacht, das immer auch aus Improvisation und Fehlern loderte, darin eben anders, manche sagen auch unprofessioneller als die Rolling Stones. Die Sache mit dem neuen Drummer für drei Songs ging also schon mal schief. Aktivposten war an diesem Tag John Paul Jones, der aber nichts herausreißen konnte. Plants Stimme wirkte völlig daneben und er machte schnell den Eindruck, hier solltest du nicht sein. Ein Lächeln kam über seine Züge, als er Jimmy Page bei einem Solo beobachtete, das er offensichtlich noch nie gehört und Page auch vorher nie gespielt hatte. Man war gewaltig auseinander. Dennoch zeigte Page, dass ihn viele zurecht für den besten Gitarristen des Rock ’n’ Roll halten. Ob er davon etwas mitbekam? Streckenweise machte es nicht den Eindruck. Ob das latente Schwanken oder sein Kampf mit einem Mikro. Page schien vollgedröhnt und wirkte wie eine Reklametafel für „Kinder, lasst die Finger von Drogen, seht her, wohin es den Onkel Jimmy bringt“. Nur einmal war Page eine Reaktion anzumerken, als er das Gesicht über das Schlagzeugspiel von Phil Collins verzog. Nach 20 Minuten waren alle erlöst. Das Publikum raste dennoch, man hatte eine Legende gesehen und scherte sich nicht um Qualität. Den vom Konzert offiziell erstellten Mitschnitt gaben alle Beteiligten frei, nur nicht Page-Plant-Jones, so wollten sie nicht verewigt werden oder gar in Erinnerung bleiben. Doch die weltweit mitgeschnitten TV-Bilder und Töne konnte sie natürlich nicht aus der Welt schaffen. Dann lieber Schwamm drüber und an das Led Zeppelin von vor 10 Jahren denken oder auf eine neue Gelegenheit warten. An ein Comeback dachte nach Live Aid niemand, auch nicht Page-Plant-Jones.
Drei Jahre später, im Frühjahr 1988, beging die einstige Plattenfirma von Led Zeppelin, Atlantic Records, ihr 40-jähriges Jubiläum. Led Zeppelin musste ran, das war man sich einander schuldig. Also nochmals Page-Plant-Jones und am Schlagzeug der Sohn von John Bonham, Jason Bonham, der zu einem soliden Drummer geworden war. Diesmal spielte man offiziell als Led Zeppelin. Jason Bonham zu diesem Zeitpunkt 22 Jahre, wirkte bei einigen Stücken zu schnell und etwas überfordert, was sicher auch Aufregung war. Die Gitarre von Page oft übersteuert, Plant auf der Suche nach seinem unverwechselbaren Led Zeppelin-Stimmklang und Jones wie immer solide. Zusammen besser als Live Aid, aber wahrlich kein Auftritt für die Ruhmeshalle. Der würdige Abgang für die Legende erneut nicht geglückt. Jedenfalls nicht nach Led Zeppelin Maßstäben. Die Ruine einer Band war immer noch besser als viele Rockbands auf ihrem Höhepunkt.
Es begann erneut die Wanderschaft durch diverse Einzelprojekte, jeder ging seines Weges. 1993 dann schon das sechste Studioalbum des enorm produktiven und kreativen Robert Plant, der gerne Musik machte, aufnahm und seine Songs auf der Bühne bot. Wohl sein bis dahin bester und bis heute großartigster Solo-Wurf. „Fate of Nations“, längst ein Klassiker, sollte jeder Musikenthusiast oder auch nur an Musik interessierte Mensch einmal gehört haben, dann begreift und erkennt man den Ausnahmekünstler Robert Plant auch außerhalb von Led Zeppelin.
Page & Plant
1994 trafen sich Jimmy Page und Robert Plant wegen einiger TV-Auftritte in Sachen Erinnerung an Led Zeppelin, arrangierten alte Sachen neu. Sie griffen sogar auf klassische Begleitung durch ein Orchester zurück und bereicherten Stücke durch den Einfluss nordafrikanischer Musik. Es machte beiden Spaß und ließ sie das Projekt Page & Plant angehen. 1995/96 gaben Page & Plant eine Welttournee mit über Hundert Konzerten, gefüllt mit Led Zeppelin Klassikern. Die Tour war in den meisten Phasen und Stationen sensationell und zeigte Plant wie auch Page in Bestform. John Paul Jones war nicht dabei, doch ein guter Bassist ward gefunden. Entdeckung und ein zusätzlicher Erfolgsgarant der Tour war der Schlagzeuger, den man auswählte. Der 26-jährige britische Schlagzeuger Michael Lee, der zuvor in guten Bands schon eine starke Performance ablieferte, wuchs über sich hinaus und spielte die Tour seines Lebens, Plage & Plant hatten mit ihm einen Volltreffer an Bord. Und vor allem hatte Lee den Sound von Led Zeppelin drauf. Was enorm hilfreich. Es muss für einen jungen Musiker ziemlich beflügelnd gewesen sein, hinter zwei der größten Legenden des Rock ’n’ Roll als Drummer im Maschinenraum zu sitzen. Lee hat dieses grandiose Spiel nie wieder so abrufen müssen. Es waren auch seine Sternstunden. An der Seite von Page & Plant trauten ihm viele Kenner sogar zu, der künftige Drummer von Led Zeppelin zu werden, falls diese je wieder zusammenkommen. Oftmals drehten sich während der Tour Plant wie Page mit einem anerkennenden Blick zu ihm um, was wie ein Ritterschlag auf ihn gewirkt haben muss. Sein Dauerlächeln während sämtlicher Konzerte lässt sich daher durchaus erklären. Michael Lee bleibt jedenfalls in Erinnerung als außergewöhnlicher Schlagzeuger. Am 24. November 2008 starb er mit 39 Jahren an einem epileptischen Anfall in seiner Geburtsstadt Darlington im Norden Englands.
Höhepunkt der Tour wohl der Auftritt am 27. Januar 1996 vor einer großen, unüberschaubaren und enthusiastischen Menschenmenge in Rio de Janeiro, was wohl erst die Rolling Stones mit ihrem legendären Konzert vom 18. Februar 2006 an der Copacabana toppten. Page & Plant jedenfalls in Hochform. Als wäre Led Zeppelin wieder am Werk. Plant bei Stimme, der Rausch von Page auf einem erträglichen Level, die Post konnte wie in besten Led Zeppelin Tagen abgehen. Und sie ging ab. Page und Plant waren in der Hitze und Schwerstarbeit von Rio längst bis auf die Knochen durchgeschwitzt. Sie behielten auf dem Leib, was sie trugen. Robert Plant wusste auch im größten Rock ’n’ Roll Fieber, wann der Moment im Leben gekommen, wo man sein Hemd geschlossen lässt. Der Schlusstitel „Rock and Roll“ brachte alles zum Überkochen und vollendete ein grandioses Konzert. Die Geschichte des Rock ’n’ Roll war wieder um ein grandioses Kapitel reicher. Plant schleuderte und griff das Mikro nebst Ständer immer noch unnachahmlich zum Klang seiner Stimme und die ließ ihn nicht im Stich. Pages Gitarrenspiel lag weiterhin auf einem Level, das selbst berühmte Gitarristen nur erträumen, aber nie erreichen können. Michael Lee hatte vor der letzten Zugabe dann doch sein völlig durchgeschwitztes Hemd weggeschmissen und ging mit dem Einstieg von „Rock and Roll“ so in die Vollen, dass Musikkenner dachten, John Bonham sei auferstanden. Den Ball nahmen Page und Plant auf und legten alles in die letzte Nummer, die zu einer Sternstunde wurde. Rio tobte.
Reunion und würdiges Finale
Ab und an trafen sich Page und Plant nach ihrer grandiosen Tour weiterhin zu Auftritten, immer mal wieder auch mit Michael Lee. Doch so eine gewaltige Tour mit 115 Konzerten in knapp zwei Jahren gab es nie wieder. Man ging verstärkt allein seiner Wege und hing dabei anderen musikalischen Projekten nach. Natürlich galt es weiterhin, eine offene Wunde zu schließen. Einmal noch Led Zeppelin mit einem würdigen Abschluss und der Chance auf einen versöhnlichen Schlussstrich. Die Chance kam langsam. Aber sie kam. Es sollte fast noch ein Jahrzehnt vergehen. Wieder stand ein Benefizkonzert an und wieder war Atlantic Records im Spiel, die ihren 2006 verstorbenen Gründer Ahmet Ertegün ehren wollten, der auch Mitentdecker und Förderer von Led Zeppelin war. Die mit einer Kapazität von 20.000 Zuschauern zugelassene „The O2“ in London sollte am 10. Dezember 2007 Ort und Arena des nächsten, einzigen und endgültig letzten Led Zeppelin Auftritts werden. Titel: „Led Zeppelin: Celebration Day“ Im Vorfeld riesiger Rummel, eine Sensation, die das Rock ’n’ Roll Universum elektrisierte. Doch diesmal auch Proben in ausreichendem Maß und mit der nötigen Intensität. Es sollte unbedingt gelingen und es gelang. Page, Plant, Jones und am Schlagzeug erneut der inzwischen gereifte Bonham Sohn Jason Bonham. Die drei Bandmitglieder haben ihn nach dem Tod seines Vaters unter ihre Fittiche genommen, er es ihnen immer gedankt. So war es folgerichtig, dass er dabei war.
Jason Bonham machte seine Sache gut und hielt mit. John Paul Jones Bass und sein Spiel am Keyboard wie immer zuverlässig und makellos. Jimmy Page offenbar ohne harte Drogen im Ring und dadurch in Bestform. Was seinem Gitarrenspiel die fast überirdische Einmaligkeit verlieh, die es in guten Tagen immer auszeichnete. Spielte schon beim ersten Titel („Good Times Bad Times“) im Gitarrenolymp seines Könnens. Robert Plant, darin Mick Jagger ähnlich – wieder eine Parallele zu den Stones – hatte seine Stimme immer seinem Alter angepasst. Viele Rocksänger versuchen mit 50 so zu klingen, wie sie sich mit 20 anhörten. Was meistens bis zur Selbstdemontage schiefgeht. Nicht so Robert Plant, der wusste Stimme, Kräfte und Zeitläufe immer ins richtige Verhältnis zu setzen. Somit war es auch sein Abend, die Stimme wie in besten Zeiten, dabei reifer und in ihrem Ausnahmeklang unverkennbar Plant, die Röhre von Led Zeppelin. Eine der ganz großen Momente des Sängers, dessen Stimme glanzvoll und mit nicht versiegender Kraft durch den Abend trug. 16 große Led Zeppelin Titel in zwei Stunden, alle absolut auf der Höhe früherer Größe. Bei „Whole Lotta Love“ denkt man, wieder den Stones ähnlich, Jahre können Rockmusikern vielleicht doch nichts anhaben.
„Kashmir„ vielleicht ihre beste Live-Version dieses komplexen Titels in der Bandgeschichte. In einer weiteren Ikone unter den Led Zeppelin Titeln, „Nobody‚s Fault But Mine“, steigen Pages Gitarre und Plants Stimme so genial ein, dass jene, die keine Gänsehaut bekommen, nicht mehr zu retten sind oder doch besser Watte kauen sollten. Plant zeigt nebenher noch, wie fantastisch er nach wie vor Mundharmonika spielen kann. „Black Dog“ kann wohl ein 60-jähriger Robert Plant nicht mehr so singen, wie der 25-Jährige dies 1973 im Madison Square Garden tat. Kann er nicht? Denkt man. Von wegen. Plant übertrifft sich selbst und macht daraus auf eine andere Art ein Meisterstück. Famos! Alles in allem Led Zeppelin auf der Höhe ihres absoluten musikalischen Könnens. Mehr ging nicht. Ein Meilenstein ward gesetzt. Besser lässt sich kein positiver Schlussstrich ziehen. Für manch Enthusiasten des Rock ’n’ Roll, darunter nicht nur Led Zeppelin Fans, sogar eines der besten Konzerte in der Geschichte des Rock ’n’ Roll. Ein wahrlich würdiger Abschluss.
Einmalig? Schlussstrich, Abschluss? Es wurde wegen des grandiosen Eindrucks, den die Band hinterließ und dem gewaltigen Erfolg sofort über ein Comeback und Led Zeppelin auf baldiger Tour spekuliert. Jimmy Page wollte und wäre gerne mit Led Zeppelin ab 2008 wieder unterwegs gewesen. Mit Robert Plant war dies jedoch nicht mehr zu manchen, er war dazu nicht mehr willens und bereit, hatte Led Zeppelin musikalisch hinter sich gelassen. Jimmy Page suchte noch nach einem anderen Sänger, weil Jones und Jason Bonham durchaus mitgemacht hätten. Es ließ sich nicht richten. Das Außergewöhnliche von Plants Stimme hatte die Zeppelin-Titel geprägt, andere Sänger müssten anders klingen und würden scheitern. Für die geplante Veröffentlichung des Konzertmitschnitts und des Konzertfilms „Led Zeppelin: Celebration Day“ ließen sich Plant und Page dann bis 2012 fünf Jahre Zeit. So lange feilten sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit an Ton und Bild, bis es ihrer beider Zufriedenheit erreichte. Das letzte Bild von Led Zeppelin, um es etwas theatralisch auszudrücken, sollte eine perfekte Erinnerung sein und überdauern. Dieses Vorhaben gelang glänzend. Album und Film längst ebenfalls Rockgeschichte und Nimbus. Der letzte Auftritt passte sich gut in ihre besten Konzerte der 70er Jahre und ihrer großen Studioalben ein. Reunion für einen Tag geglückt und ein Ergebnis für die Ewigkeit.
Die musikalischen Wege des Robert Plant
Plant konnte weiterhin an die musikalische Klasse von Led Zeppelin, an seine Auftritte mit Jimmy Page und vor allem die Erfolge seines Albums „Fate of Nations“ anknüpfen, sein persönliches Musikniveau halten, Maßstäbe setzen. Nur die Auftritte eben nicht mehr so spektakulär und die Bühnen nicht mehr so gigantisch, das Publikum kleiner, aber kundig. Die musikalische Qualität blieb in gewohnten Plant-Höhen. Robert Plant liebte es immer noch, unbekannte musikalische Wege einzuschlagen und er ging sie. Manchmal allein. Manchmal in Kombination mit Partnern. „Robert Plant & The Sensational Space Shifters“ waren eine musikalische Offenbarung, mit großartigen Musikern an allen Instrumenten und über deren Wolken die Stimme von Plant, die weiterhin in Hochform. Die Mitschnitte dieser Konzerte sind bis heute ein pures Ohrvergnügen geblieben. Besonders hervorstechend der Abend in der New Yorker „Brooklyn Academy of Music“ von 2014. Natürlich auch bei solchen Konzerten immer ein von Plant geschaffener Led Zeppelin Titel im Programm. „Whole Lotta Love“ hörte sich anders orchestriert an als zu Led Zeppelin Zeiten, aber dennoch aufregend. Plant kann Dinge verändern und sie noch besser oder auf der Basis alter Qualität völlig neu vortragen und erschaffen. Ein echter Künstler. Ähnlich eindrucksvoll seine tollen Konzerte mit der „Band of Joy“, die kongenial mit der Musikauffassung von Plant korrespondierten.
Alle Aktivitäten und musikalischen Stile von Plant nach Led Zeppelin aufzuzeigen würde Bücherregale füllen. Er selber blieb und ist bis heute neugierig. Vor kurzem sagte Plant in einem Interview: „Led Zeppelin liegt hinter mir, ich habe andere musikalische Vorlieben und Pläne.“ Er verleugnet Led Zeppelin nicht, aber er klebt auch nicht in deren Vergangenheit fest. Während Jimmy Page, der Bandgründer und Wundergitarrist, oft mit alten Bändern von Led Zeppelin zugange, diese neu mischt und schneidet, ist Plant musikalisch in für ihn aufregenderen Welten unterwegs, lässt dennoch den alten Rocker natürlich immer wieder durchscheinen. Über Jimmy Page sagt er mit einem Augenzwinkern gegenüber dem früheren Bandkollegen „Ich will mehr von Musik und vom Leben als alte Bänder von Led Zeppelin abstauben“. Beleg für Plants musikalische Neugier und herausragendes Zeugnis seiner unermüdlichen Musikalität und Kreativität ist die seit 2007 bestehende Zusammenarbeit mit der US Country Sängerin Alison Krauss. Immer wieder gehen sie gemeinsam mit anderen großartigen Musikern vor die Mikrofone, ins Studio und auf Tour. (Stellvertretend für mitwirkende Musiker sei hier der grandiose Gitarrist T Bone Burnett genannt.) Dabei fällt immer wieder besonders auf, wie viel Platz Robert Plant stets dem Können anderer einräumt und daran Freude hat. Ein echter Teamplayer der Musik.
Das von Plant und Krauss erschaffene erste Album „Raising Sand“ (2007) wurde auf Anhieb ein Volltreffer. Kein Wunder, dass sie für das mittlerweile legendäre „Raising Sand“ 2009 unter großem Beifall der Musikbranche 5 Grammys gewannen. Das ganze Album ist in Gesamtheit ein großartiger Wurf, ein musikalisches Geschenk. Daraus bitte unbedingt „Rich Woman“ und „Gone, Gone, Gone“ hören. Und 2021 übertrafen sie sich sogar mit ihrem zweiten Album „Raise the Roof“. Neben „Can’t Let Go“ zeigen „The Price Of Love“, „Go Your Way“ und „Searching For My Love“ auf grandiose Art die musikalische Harmonie von Plant und Krauss. Phänomenal. Man muss Plant und Krauss nur den alten Country Titel „Can’t Let Go“ singen hören, um zu erkennen, wie diese beide Stimmen füreinander geschaffen sind. Eine Offenbarung. Mit ihrem Repertoire sind Plant & Kraus seither mächtig gefragt und weltweit unterwegs. In ihren Shows bieten sie natürlich auch Led Zeppelin Stücke. Neu im Programm der Led Zeppelin Reißer „Rock and Roll“, der allerdings nicht mehr mit einem wahnwitzigen Schlagzeugsolo (John Bonham oder Michael Lee), sondern sehr innovativ mit einem flirrenden Geigensolo beginnt. Plants Gespür für neue Wege der Musik deckt sich mit der Musikalität von Alison Krauss.
Als Plant mit Alison Krauss am 20. August 2022 am Lake Tahoe See in Nevada auftrat, wurde das Programm unterbrochen und drei Leute, die sich als die Kinder von Robert Plant herausstellten, schoben eine mit Kerzen geschmückte Torte und dazugehörige Luftballons auf die Bühne. Der alte Barde hatte nämlich Geburtstag und war erstaunt, wie erfreut seine Familie zu sehen. Nach dem Auspusten der Kerzen ging es damit weiter, womit es bei Plant immer weiter geht, mit Musik, seinem eigentlichen Lebensinhalt. Robert Plant, ungebrochen selbstbewusst und energisch, immer noch mit einer einzigartigen Stimme ausgestattet, ist inzwischen also 74 und hat weiterhin mehr Bühnenpräsenz, Können und Charisma als die meisten aktuellen Sänger im Geschäft. Mit der bekannten und genannten Ausnahme von Mick Jagger, dem unverwüstlichen Frontmen des Rock ’n’ Roll. Robert Plant ist einer der legendärsten Sänger in der Geschichte der Rockmusik und wird dies bleiben, solange Menschen Musik hören. Ein großer Musiker und beindruckender Mensch. Chapeau!
Empfehlungen in Sachen Robert Plant für die Ohren:
Led Zeppelin II | Studioalbum, 1969
Led Zeppelin IV | Studioalbum, 1971
Led Zeppelin | Live Konzert | Royal Albert Hall, 1970
Led Zeppelin | Live Konzert| Madison Square Garden, New York
Led Zeppelin (Mit Neil Young.)| Live | Aufnahme in „Rock and Roll Hall of Fame“ | 1995
Led Zeppelin |Live Konzert | Film und CD | „Celebration Day“ 10. Dezember 2007 | O2 Arena London
Jimmy Page and Robert Plant (Schlagzeug: Michael Lee) | Live Konzert | Rio de Janeiro, 1996
Jimmy Page and Robert Plant (Schlagzeug: Michael Lee) | Live Konzert | Tokio, 1996
Robert Plant | Studioalbum | „Fate of Nations“ | 1993
Robert Plant and the Band of Joy | Live | 2011
Robert Plant & The Sensational Space Shifters | Live Konzert | New York | 2014
Robert Plant and Alison Krauss | Raising Sand | Studioalbum, 2007
Robert Plant and Alison Krauss | Raise the Roof | Studioalbum, 2021
Robert Plant and Alison Krauss | Live Konzert | New York | 4. Juni 2022
Robert Plant im Interview beim Montreux Jazz Festival (2014)
Robert Plant im Interview mit Jools Holland (Oktober 2020)
Robert Plant, Allison Krauss, T-Bone Burnett – Interview mit Charlie Rose (2007)
Bildergalerie
Led Zeppelin am Anfang:
Jimmy Page. Gitarrenwunder und Bandgründer von Led Zeppelin:
Auf den Höhen des Led Zeppelin Ruhms rund um die Welt. Robert Plant:
Einer starb und drei wurden alt. (John Bonham und Led Zeppelin):
Neunzigerjahre. Robert Plant und Jimmy Page auf Tour:
Robert Plant als Solomusiker mit Buddy Hollys legendärer Gitarre:
Ehemals Led Zeppelin (Jones-Plant-Page 2012 im Interview):
Kongeniales Duo (Robert Plant und Alison Krauss):
Erinnerung an früher. (Plant mit Led Zeppelin Bildband.):
Neben der Musik immer der Fußball. Plant als lebenslanger Fan der Wolverhampton Wanderers:
Privatmann Robert Plant:
Atemberaubendes Led Zeppelin Comeback für einen Tag in London (2007):
In wilden Ehren ergraut. Jimmy Page und Robert Plant:
Robert Plant an einem Denkmal für John Bonham:
Musik war und ist sein Leben. Robert Plant:
Ich bin kein trauriger alter Hippie, ich bin ein fröhlicher alter Hippie. Ich freue mich darüber, wie lächerlich ich bin. Ich mag mich. Obwohl ich kein großer Fan von mir bin. Ich weiß, wann ich mich ausschalten muss. (Robert Plant)
*Copyright für das Titelbild und die Fotos dieser Bildergalerie liegen bei Robert Plant und Led Zeppelin (Twitter: Led Zeppelin und Robert Plant)