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Ein gelungener Polizeiruf

Manchmal können es die öffentlich rechtlichen Sender noch. Natürlich zu selten, um ihnen die Fuhre Mist, die sie sonst so auffahren, zu verzeihen. Der Polizeiruf 110 zur traditionellen Sendezeit unter dem Titel „An der Saale hellem Strande“ am Sonntag, dem 30. Mai 2021, hatte jedenfalls seine Zuschauer verdient. Es spielte sich titelgerecht alles in Halle an der Saale ab. Am Ende entkam der Mörder, was der Qualität des Films keinen Abbruch tat. So geht es eben auch zu in der Krimirealität des Landes. Am Ende blieben zwei ratlose Kommissare in der Kneipe. Henry Koitzsch, die eher raue und erfahrene Variante mit einem Schuss Optimismus für die Zukunft. Sein Kollege Michael Lehmann, eher biederer Familienvater mit der Tendenz, sich beim Schwiegervater auszuheulen und an allem und jenem schnell zu verzweifeln. Koitzsch dagegen haut nicht mehr viel um. Selbst beim Blind Date säuft er zu viel, schleppt dennoch eine Lehrerin ins Bett oder die ihn. Der morgendliche Aufbruch der Pädagogin aus des Kommissars Bett dann so trostlos wie solche Aufbrüche eben sind.

Auf der Spur des Mörders, der dann doch unsichtbar bleibt, begegnen die Ermittler manch Skurrilität auf zwei Füßen, dabei vor allem den Abgründen des Lebens innerhalb der sozialen Unterschicht. Der fehlende Strom in einer Säuferclique sorgt für Tod und Verderben, das Geld für die Mahnungen hatte man zuvor lieber durch den Hals gegossen. So konnte ein Unheil seinen Lauf nehmen. Angenehm mal wieder die da unten zu sehen, wo in anderen Fällen hinter Villen und Edelkarossen noble Menschen feinnervig verhört werden, die dabei nach ihren Anwälten telefonieren lassen. Hermann Beyer gibt einen alten Reichsbahner, der in der DDR und deren Schienennetz stecken geblieben längst das hier und jetzt vergessen hat. Ob da Demenz im Spiel oder die Gegenwart einfach nicht eingelassen werden soll, diese Antwort überlässt der Schauspieler dem Zuschauer.

Die nächtlichen Sauftouren, ob mit Lehrerin oder Dienstwagen an der halleschen Stadtautobahn, hinterlassen bei Koitzsch weder Strafzettel noch Kopfschmerz. Eine Zigarette macht ihn fit, wo andere eine Packung Aspirin bräuchten. Ein Hartgesottener von der netten und illusionslosen Seite. Koitzsch hat den Fusel im Griff. Der ab und an saufende Kommissar ist natürlich nicht neu am Krimihorizont. Das Lakonische von Koitzsch allerdings ist von neuer Qualität. Er macht kein großes Ding daraus. Und es wird wieder geraucht in deutschen Amtsstuben, wenn auch etwas versteckt, dafür viel. Koitzsch immer dabei. Als kleinen Spaß haben die Macher dieses Polizeirufes einen Karl Jaspers Satz untergebracht, den einer der Kommissare glatt für ein Markus Lanz Zitat hielt. Mehr Ironie war im deutschen TV lange nicht hörbar.

Das Ensemble passte und agierte vorzüglich, die Dialoge saßen. Kein Wort überflüssig. Die Erzählweise und Kameraführung trugen zu einem guten Stück TV bei. Herausragend Peter Kurth als Kriminalhauptkommissar Henry Koitzsch. Wer Jahrzehnte nach einem Ernst Schröder Nachfolger Ausschau gehalten, hier ist endlich einer in all seiner Verwandelbarkeit mit einer großen Fuhre Charisma. Noch findet man diesen Streifen sechs Monate in der ARD. Anschauen lohnt.

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