Beim zweitägigen informellen Treffen der EU-Außenminister in Prag (30.08.2022 bis 01.09.2022) sprach die deutsche Außenministerin während einer Podiumsdiskussion in die Mikrofone:
Wenn ich den Menschen in der Ukraine das Versprechen gebe: ‚Wir stehen an eurer Seite, solange ihr uns braucht‘, dann werde ich diese Versprechen einhalten. Egal, was die deutschen Wähler denken. Aber ich werde die Menschen in der Ukraine wie versprochen unterstützen.
Diese Selbstüberschätzung ist extrem entlarvend wie eindeutig, trotz oder gerade wegen der Sprünge vom ich, über das wir zum uns und zurück. Annalena Baerbock verspricht mit einem zweifachen ich. In Haftung nimmt dieses doppelte ich dann uns mit einem plumpen Schlenker zum wir. Unterstützen tut die Ukraine dann vollmundig wieder jenes schon erwähnte ich. Wobei die Rechnung, da muss niemand lange drüber nachdenken, unter Garantie, natürlich dem wir also uns präsentiert wird. Als Zwischengericht gibt es von Baerbock noch Verachtung für deutsche und offensichtlich besonders für grüne Wähler. In Herrenreitermanier werden jene herablassend als die tituliert und was die denken, in die Tonne des Größenwahns getreten. Alles schön und gut. Doch es redet eben nicht Lieschen Müller fatales Zeug daher, sondern die deutsche Außenministerin. Die Folgen von deren fortschreitender Selbstüberschätzung werden sehr viele Menschen noch weit über steigende und wuchernde Lebenshaltungskosten hinaus zu spüren bekommen. Aber jene, die kommende Lasten zu schleppen haben, sind eben nur Wähler, und was die denken, ist bekanntermaßen zumindest Annalena Baerbock egal. Zu fehlenden diplomatischen Kenntnissen kommt noch ein erschreckendes und peinliches Demokratieverständnis.
Weil Annalena Baerbock immer mehr irrlichternde Außenpolitik betreibt, sich vom falschen Applaus und den falschen Schulterklopfern berauschen und treiben lässt, soll hier an einen irrlichternden Politiker unserer düsteren Geschichte erinnert werden. Wilhelm II. hat im Wahn seiner von ihm angenommenen Größe gerne Land und Volk in seinen Topf geworfen. Wie es ihm beliebte, schwadronierte er im wir und uns sowie seinem ich umher. Wie eine echte und dumme Majestät jener Tage ließ er sein ich und mir stets großschreiben. So schmetterte er auch fröhlich über den entscheidend auch von ihm angezettelten 1. Weltkrieg vom Balkon seines Schlosses:
Ich danke euch für alle Liebe und Treue, die ihr Mir in diesen Tagen erwiesen habt. Sie waren ernst, wie keine vorher! Kommt es zum Kampf, so hören alle Parteien auf! Auch Mich hat die eine oder die andere Partei wohl angegriffen. Das war in Friedenszeiten. Ich verzeihe es heute von ganzem Herzen! Ich kenne keine Parteien und auch keine Konfessionen mehr; wir sind heute alle deutsche Brüder und nur noch deutsche Brüder. Will unser Nachbar es nicht anders, gönnt er uns den Frieden nicht, so hoffe Ich zu Gott, daß unser gutes deutsches Schwert siegreich aus diesem schweren Kampfe hervorgeht. (Wilhelm II. – „Zweite Balkonrede“ – 1. August 1914, Berlin. Text nach Originalmanuskript.)
Wer meint, der Vergleich dieser und jener Worte mag arg sein und zu weit hergeholt, könnte recht haben. Könnte. Aber wäret den Anfängen. Soll bei einer kommenden Katastrophe keiner sagen, so etwas sei nun wirklich nicht zu ahnen gewesen. Nein? Vieles fängt besonders in der Politik wie in der Geschichte mit falschen Reden und Worten an. Daher hier ein Buch erneut und wiederholt, aber dringlich empfohlen. Wer wissen will, wie inkompetente Außenpolitik und schlechte Diplomatie Europa in den 1. Weltkrieg hat stolpern lassen, der lese bitte Christopher Clark „Die Schlafwandler“ und betrachte dann die europäische Außenpolitik unserer Tage und jene von Annalena Baerbock im Besonderen. Ihr soll das Schlusswort gehören, so wie sie es in ihrem Beitrag in Prag sagte. Falls sie noch einmal als Kanzlerkandidatin daher flattert, kann es als Gedächtnisstütze ihren und allen Wählern helfen:
No matter what my German voters think.
*Titelbild: Annalena Baerbock, Meseberg, August 2022 (Screenshot: Sender Phoenix)