Leben

End of time

Dr. Kai Heron vom Birkbeck College der University of London, dort Lehrbeauftragter am Institut für Politik und Programmdirektor für globale Umweltpolitik, macht in Medien, Interviews, Publikationen und den Sozialen Medien öffentlich, was er zu Umwelt- und Klimathemen auch seinen Studenten vermittelt. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund, ist deutlich und wird dennoch selten gehört. Der Rufer in der Wüste mit unschöner Nachricht wird von niemandem gerne wahrgenommen. Somit klatschen bei Kai Heron weder die Klimawandelleugner noch die Umwelt- und Klimaaktivisten oder die Medien in die Hände. Das könnte allerdings ein untrügliches Zeichen dafür sein, dass Heron mit seinen Ansichten und Analysen nah an der Realität liegt, die andere aus vielerlei Gründen lieber ausblenden oder nicht vermelden. Wahrheit tut oft weh, passt nicht jedem und sehr selten der Mehrheit.

In der ökologischen Politik geht es heute nicht darum, „den Planeten zu retten“ oder „die Klimakrise zu lösen“, wie uns früher gesagt wurde. Es geht nicht einmal darum, innerhalb von 1,5 °C der planetaren Erwärmung zu bleiben. Das ist vorbei. Es ist weg. Bei der ökologischen Politik geht es darum, zu begrenzen, wie viele Menschen sterben, wie viele vertrieben werden, wie viele unerträgliche Hitze, Überschwemmungen, Waldbrände und Dürren erleben. Und es geht darum, wie viele Arten und Lebensräume für immer verloren gehen werden. Diese Verschiebung in unserem Verständnis ist aus mehreren Gründen wichtig. Erstens besiegt es die fatalistischen „es ist schon zu spät“ Gläubigen. Ja, es ist zu spät. Deshalb sollten wir handeln. Zweitens geht es über Erzählungen hinaus, ob wir noch 12 Jahre, 10 Jahre oder drei Jahre Zeit haben, um zu handeln. Jede Entscheidung, die wir heute treffen und die uns weiter von der Dekarbonisierung entfernt, wie die Entscheidung Großbritanniens, Fracking zu betreiben oder die Subventionierung fossiler Brennstoffe durch die USA und Europa, führt zu noch mehr Tod und Zerstörung. (Dr. Kai Heron, 14.09.2022)

Siebenjähriger und seine Mutter kehren nach dem Hurrikan Iota in ihren zerstörten Heimatort Wawa Bar (Nicaragua) zurück. (© UNESCO)

Reicher Mann und armer Mann
standen da und sah’n sich an.
Und der Arme sagte bleich:
Wär’ ich nicht arm, wärst Du nicht reich.
(Bertolt Brecht)

„Milliardärs-Bunker“ genannt. Miamis Indian Creek Village. Hochsicherheits-Privatinsel. (© Nelson Gonzalez)

Da haben wir es wieder. Für alle wird es nicht reichen. Niemand bei Verstand wird sich Illusionen machen, welche Art Klientel die Ecken und Regionen, die bewohnbar, sogar schön und erträglich bleiben, okkupieren werden, wenn es in naher Zukunft so weit ist, dass es im Sinne des Wortes eng wird. Jene Eliten, die zusätzlich das Sprungbrett startklarer Raketen in Richtung überlebensfähiger Raumstationen als Joker im reichen Ärmel habe, werden an den verbliebenen Orten überleben, mit dabei vielleicht noch ihre domestizierten Handlanger aus Wirtschaft und Politik. Die Masse der Menschheit, vor allem die Unterschicht auf diesem Planeten, wird allerdings in vielerlei unerträglichen Katastrophen übel verrecken. Niemand denkt natürlich an sein eigenes Ende. Näher steht einem der Selbstbetrug, dass man persönlich oder eben die Nachfahren fast sicher zu denen gehören wird, die überleben, die es schaffen. Prinzip Hoffnung oder Vogel Strauß, je nach Einstellung und Sichtweise oder dem festen Glauben an alles, was dem Menschen geistig eingetrichtert. Nur so lässt es sich aushalten und leben. Selbstverständlich denkt der Mensch der nördlichen Hemisphäre, er ist unter denen, die eine gute Chance haben, für die es also jederzeit noch reicht. Die Zeche werden wie immer jene zahlen, die auf der südlichen Halbkugel zu ihrem Lebenspech eben auch noch desaströse Umwelt- und Klimakatastrophen erleben und oft nicht überleben. Der gemeine Europäer hofft insgeheim, mag es doch wie immer Asien, Afrika und Südamerika erwischen. Uns doch nicht. Niemals. Nun ja. Gute Träume beim Festklammern an solchen Illusionen. Besser ist es allerdings, sich nicht völlig diesem Trugschluss hinzugeben. Es könnte für jeden von uns anders kommen, das Brett des Überlebens ist schmal und bietet wenig Platz. Und jene, die diesen Platz belegen, werden darauf achten, dass ihnen zu viel Pöbel und gemeines Volk nicht den Raum nimmt, den sie für sich beanspruchen. Wie gesagt, für alle reicht es nicht und es ist jetzt schon absehbar, für wen es reichen wird und für wen nicht. Jeder kann es sich selber denken oder an den Fingern abzählen.

Wohlstandssymbolik. Müll und Schornsteine. (© World Wide Fund For Nature)

Früher oder später werden wir anerkennen müssen, dass auch die Erde das Recht hat, ohne Umweltverschmutzung zu leben. Was die Menschheit wissen muss, ist, dass Menschen nicht ohne Mutter Erde leben können, aber der Planet kann ohne Menschen leben. (Evo Morales, Ex-Präsident von Bolivien)

*Titelbild: Collage von Pixaby.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert