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Frankreichs zwergiger Sektierer und seine Plapperer

Gestern Abend trat er vors Volk und erklärte, seine Wähler mögen in der zweiten Runde nicht für Le Pen, sondern für Macron stimmen. Ehrbar. Flugs wurde aus einem Schuldigen ein Heiliger, allerdings nur in Deutschland, nicht unter den Franzosen, die ihm seine Reinwaschung in eigener Sache nicht durchgehen lassen. Am heutigen Vormittag dann setzte der Kandidat der Grünen für das Amt des französischen Präsidenten, der mit der Aufrechterhaltung seiner unsinnigen Kandidatur einen Linken im Finale verhinderte und damit den Weg für Le Pen erst ebnete, noch eins drauf. Yannick Jadot bedauerte öffentlich, dass „die Ökologie im zweiten Wahlgang abwesend ist“. Viele Wähler in Frankreich trauten ihren Ohren nicht und fragten in den sozialen Medien: „Was soll man dazu sagen? Es ist nicht die Stunde der Abrechnung, sondern nur eine Aufgabe: 22,0 + 4,6 = 26,6. Die Ökologie hat den zweiten Wahlgang fast erreicht. Sie hätten eine andere Wahl treffen sollen, Herr Jadot.“ (Anm. der Red.: Le Pen holte 23,1 Prozent der Stimmen. Wäre Jadot dem linken Mélenchon nicht in den Rücken gefallen, hätten seine Prozente diesem in die Stichwahl geholfen, die Ökologie wäre eines der Hauptthemen gewesen.)

Im ersten Wahlgang Steigbügelhalter für Marine Le Pen: Anne Hidalgo (Sozialistin), Yannick Jadot (Grüne).

Nun von jener durch Jadot mit verursachten politischen Tragödie der französischen Linken zu einer törichten Eselei. Wie politische Blindheit sich potenziert und in Form von Dummheit den Weg in die Öffentlichkeit findet, führt uns auf schlichte Art Theresa Reintke vor, eine deutsche Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen), aktuell Europaabgeordnete und stellvertretenden Vorsitzende der Fraktion der dortigen Grünen. Auch sie kann natürlich twittern und machte davon wie folgt Gebrauch: „Klare antifaschistische Ansage von @yjadot an Grüne Wähler*innen: Ich weiß, dass es vielen von euch schwer fallen wird, aber bitte: Wählt in der zweiten Runde Macron. Wir müssen die extreme Rechte aufhalten.“ Sie hat noch vier grüne Herzen an ihren Tweet gekleistert, die wir sparen. Weil einem bei so strunzdummer Sicht auf die Dinge nicht das Herz aufgeht, sondern eher der Mund zuklappt. Wie bitte? Frau Reintke fällt also plötzlich am Tag nach (!) der Wahl ein, darin geistig an der Seite des großen Strategen Jadot, die extreme Rechte aufhalten zu müssen und entblödet sich nicht gegenüber den Franzosen, wir zu sagen. Ob in ihrem Hirn Platz ist für die einfache Erkenntnis, dass genau jener Yannick Jadot die Franzosen um die Möglichkeit brachte, die extreme Rechte schon im ersten Wahlgang aufzuhalten? Welches Maß an völliger Unfähigkeit muss man eigentlich aufbieten, um bei den Grünen Präsidentschaftskandidat oder Europaabgeordnete zu werden? Wird so etwas irgendwo gelehrt?

Ihre eigenen Follower sind politisch wesentlich heller unterwegs als Frau Reintke und reagierten auf diese so: „Seine Kandidatur hat Le Pen doch erst die Stichwahl ermöglicht.“ „Nur durch den Egoismus von Leuten wie @yjadot hat es Le Pen überhaupt in die Stichwahl geschafft.“ Ob Frau Reintke es versteht? Die Franzosen twittern natürlich ebenfalls mit klarer Ansage. Nichts liest man an diesem Tag öfter als solche Art Botschaft: „Anne Hidalgo, Fabien Roussel, Yannick Jadot sachez que c’est de votre faute je vous le pardonnerai JAMAIS.“ (Anne Hidalgo, Fabien Roussel, Yannick Jadot wisst, dass es eure Schuld ist, ich werde es euch NIEMALS verzeihen.) Selbstverständlich empfängt Jadot in den sozialen Medien auch viel Sympathie. Ehrliche Freude kommt ihm aus dem rechten Lager entgegen, von Reaktionären und Neoliberalen, von Le Pen und Zemmour Anhägern, die ihm danken für die Verhinderung von Mélenchon. Ob sich Jadot dafür schämt, ist dieser Redaktion nicht bekannt. Aktuell ruft Jadot die Franzosen zu Spenden auf, seine Wahlkampfkasse hat ein Loch von 2 Millionen Euro hinterlassen. Jadots Landsleute haben durchaus Humor und empfehlen ihm, sich an Macron und Le Pen zu halten, die würden sicher aus Dankbarkeit gerne aushelfen und besagtes Loch stopfen. Na dann.

*Titelbild: Yannick Jadot (Twitter: Journal du Dimanche)

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