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Menschliche Intelligenz

Teile der Menschheit haben ohne Computer und Internet – weit vor Bill Gates und Steve Jobs – schon großartige Taten vollbracht, vor allem in Asien, was in Europa und Nordamerika immer etwas hochnäsig übersehen wird. Gigantische Leistungen von Geist und Handwerk wurden ganz ohne Google, Wikipedia und bei Fehlen jedweder App geschaffen. Die Tripitaka Koreana (Kanon der Schriften des Buddhismus) – im 13. Jahrhundert auf 81.258 Holzblöcke geschnitzt – ist die erfolgreichste Übertragung großer Datenmengen über einen längeren Zeitraum, die die Menschheit bisher erreicht hat. 52 Millionen Zeichen an Informationen, die über fast 8 Jahrhunderte ohne Datenverlust übertragen wurden. Eine epochale Leistung. Es ist die älteste intakte Version des buddhistischen Kanons in Hanja-Schrift. Die Tripitaka Koreana, welche in Haeinsa, einem buddhistischen Tempel im Gayasan-Nationalpark in Südkorea (Provinz Süd-Gyeongsang), aufbewahrt wird, ist die umfassendste und älteste Version des buddhistischen Kanons, ohne bekannte Fehler in seinen 52.330.152 Zeichen, die in über 1.496 Titeln und 6.568 Bänden organisiert sind. Jeder Holzblock misst 24 Zentimeter in der Höhe und 70 Zentimeter in der Länge. Die Dicke der Blöcke liegt zwischen 2,6 und 4 Zentimetern, und jeder wiegt etwa drei bis vier Kilogramm. Die Holzblöcke würden gestapelt, einen 2,74 km hohen Turm bilden, aufgereiht 60 km lang sein und insgesamt 280 Tonnen wiegen.

Meisterleistung. Handwerkliche Qualität für die Ewigkeit. Eine menschliche Großtat.

Bis heute sind sämtliche Holzblöcke in einem tadellosen Zustand, obwohl sie vor mehr als 750 Jahren hergestellt wurden. Jeder Block wurde aus Birkenholz von den südlichen Inseln Koreas hergestellt und behandelt, um den Verfall des Holzes zu verhindern. Die Blöcke wurden drei Jahre lang in Meerwasser eingeweicht, dann geschnitten und anschließend in Salzwasser gekocht. Anschließend wurden die Blöcke drei Jahre lang im Schatten gelagert und dem Wind ausgesetzt, bis sie schließlich geschnitzt werden konnten. Nachdem jeder Block geschnitzt war, wurde er mit einem giftigen Lack überzogen, um Insekten fernzuhalten, und dann mit Metall umrahmt, um ein Verziehen zu verhindern. Die Qualität der Holzblöcke wird Sugi zugeschrieben, dem buddhistischen Mönch, der das Projekt leitete und die koreanische Version sorgfältig auf Fehler überprüfte. Nach Fertigstellung der Tripiṭaka Koreana veröffentlichte Sugi 30 Bände mit zusätzlichen Aufzeichnungen, in denen Fehler und Auslassungen festgehalten wurden. Wir würden heute von Ergänzungsbänden reden. Wegen der überragenden Genauigkeit des Tripiṭaka Koreana basieren die japanische, chinesische und taiwanesische Version des Tripiṭaka alle auf dieser koreanischen Version. 

Aufbewahrungsort von unendlichem Wissen. Tripitaka Koreana. Wir würden „Serverraum“ sagen.

Der ursprüngliche Satz von Holzblöcken wurde während der mongolischen Invasion Koreas im Jahr 1232 durch ein Feuer zerstört. Es sind jedoch noch einige Bände erhalten, die mit diesen Blöcken gedruckt wurden. Um erneut göttlichen Beistand im Kampf gegen die mongolische Bedrohung zu erflehen, ordnete König Gojong die Überarbeitung und Neuerstellung des Tripiṭaka an. Die Schnitzarbeiten begannen im Jahr 1237 und wurden innerhalb von 12 Jahren abgeschlossen, wobei Mönche sowohl der Seon- als auch der Gyo-Schule beteiligt waren. Diese zweite Version ist in der Regel das, was man heute unter dem Tripiṭaka Koreana versteht. Im Jahr 1398 wurde sie in den buddhistischen Tempel von Haeinsa auf dem Berg Gaya in der Provinz Süd-Gyeongsang in Südkorea gebracht, wo sie bis heute in vier eigens errichteten Gebäuden aufbewahrt wird. Die Herstellung der Tripiṭaka Koreana verlangte zu seiner Zeit einen enormen nationalen Einsatz von Geld und Arbeitskräften. In der Dimension vielleicht vergleichbar mit dem Aufwand der USA für das Manhattan-Projekt zum Bau der ersten Atombombe in den 1940er Jahren oder der Missionen zum Mond in den 1960er Jahren. Tausende von Gelehrten und Handwerkern waren am gewaltigen Projekt der Tripiṭaka Koreana beteiligt. Der historische Wert der unvergleichlichen Tripiṭaka Koreana ergibt sich aus der Tatsache, dass sie die vollständigste und genaueste erhaltene Sammlung buddhistischer Abhandlungen, Gesetze und Schriften ist. Die Verfasser der koreanischen Version haben ältere chinesische und khitanische Versionen aus der Zeit des Nördlichen Song eingearbeitet.

Mönch mit Schriftblock.

Eine zufällige Datenübertragung über Jahrhunderte hinweg kommt in Bibliotheken natürlich vor, aber das Tripitaka Koreana ist eine einzige, einheitlich hergestellte Textserie, und die obsessive Sorgfalt, mit der sie hergestellt und aufbewahrt wird, lässt keinen Zweifel daran, dass sie mit Blick auf die Ewigkeit geschaffen wurde. Es gibt zwar keine genaue Methode, dies zu berechnen, aber die 52 Millionen eingeritzte chinesische Schriftzeichen entsprechen etwa zwei Gigabyte an Informationen. Die Tripitaka Koreana hat also zwei Gigabyte an Daten über fast acht Jahrhunderte hinweg übertragen, ohne dass sie beschädigt wurden oder verloren gingen. Wenig anderes, das von Menschen geschaffen wurde, kommt dem nahe. Jene Tripitaka Koreana bewahrt nicht nur Gigabytes an Daten, sondern ermöglicht auch, dass diese Daten bei Bedarf frei abgerufen werden können, durch direktes Lesen aus den Blöcken oder durch Drucken von ihnen. Darauf folgende Bücher wurden im Jahr 1914 direkt von den Blöcken gedruckt, als diese bereits 650 Jahre alt waren. Arbeiten an der ersten Tripiṭaka Koreana begannen 1011 während des Goryeo-Khitan-Krieges und wurden 1087 abgeschlossen. Der Akt des Schnitzens der 6.000 Holzblöcke galt als Möglichkeit, durch die dadurch erfolgte Anrufung von Buddhas Hilfe eine Änderung des Schicksals herbeizuführen. Vielleicht sollten wir in Europa schleunigst anfangen, Holzblöcke zu schnitzen.

Mönch beim Entnehmen eines Blocks.
Ort des Geistes und Handwerks. Tempel Haeinsa. Aufbewahrungsort der Tripitaka Koreana.

Impressionen der Tripitaka Koreana

*Für alle im Beitrag genutzten Fotos liegen die Bildrechte beim Tempel Haeinsa.

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