Jeffrey Preston Bezos, gern „Jeff“ genannt, heißt dieser umtriebige Unternehmer, der interessanterweise auch Raumfahrer mit Ambition ist. Am Ende seiner Unternehmung, die sich sehr prosaisch „Blue Origin“ nennt, soll funktionierender und bewohnbarer Lebensraum in überdimensionierten Raumstationen stehen. Jener Jeff liefert. Natürlich nicht persönlich. Amazon kennt jeder. Eher unprosaisch im feinsten Loriot-Deutsch auch „Onlineversandhändler mit einer breit gefächerten Produktpalette“ genannt. Sich alles an die Tür bringen lassen ist ohne Wenn und Aber praktisch. Es speist sich aus vielerlei menschlichen Neigungen, die Bequemlichkeit gehört sicher dazu. Außerdem ist es zeitsparend und praktisch. Dagegen kann keiner anstinken, Jeffs Konten beweisen es. Dies soll zu Amazon alles sein. Es hat Jeff natürlich einiges Geld gebracht. Jenes Geld bietet auch Raum für Spielereien. Zum Spielkasten von Jeff gehört nebenbei die „Washington Post“. Weil ihm die Presse- und Meinungsfreiheit wichtig, so jedenfalls hatte Jeff seinen Kauf gepriesen. Milliardäre sind also durchaus zum Scherzen aufgelegt.
Vor Tagen erwarb der Amazon-Mogul noch Metro-Goldwyn-Mayer, bekannter als MGM. Die legendärste Hollywoodklitsche der Filmgeschichte. Schlappe 8,45 Milliarden Dollar sollte Jeff der Spaß kosten. Peanuts. Amazon hat damit ca. 17.000 Programmstunden und natürlich das Filmarchiv von MGM im Sack. Wohl um die 4.000 Filme und Serien. Der Unterhaltungsrachen von Amazon benötigt Futter, die Leute müssen bei der Stange gehalten werden. Ein gerissener Deal. Schauen wir derweil lieber in die Sterne. Jeff will schließlich schnell in den Raum und die Weite. Das Weltall ruft. Am 20. Juli 2021 geht das Abenteuer los und die Rakete ab. Diese trägt den Namen „New Shepard“. Ob es sich hierbei um eine Verbeugung vor Alan Shepard handelt? Der flog immerhin Anfang der 70er-Jahre direkt auf den Mond. Von der NASA aus beruflichen Gründen dort hinauf geschossen. Damals herrschte schon politischer Clinch mit Russen, in den Zeiten noch Sowjets, Bolschewisten oder „die Roten“ genannt. Man belauerte sich im Weltraumrennen. Von Chinesen oder „Jeff“ als Weltherrscher war noch keine Rede.
Oder „New Shepard“ gar als Gleichnis? „Neuer Hirte“ wäre immerhin eine gute wie verniedlichende Umschreibung für den Mann, der global ein wirkliches Imperium unserer Zeit führt. Eine Mischung aus Gnaeus Pompeius Magnus und Jakob Fugger mit einem kleinen Schuss Onkel Dagobert. Ein neuer Caesar? Die wurden allerdings am Ende oft verrückt. Manche schon mittendrin. Einer davon, Caligula, machte sein Pferd zum Senator und hielt sich außerdem für einen Gott. Solche Absicht, also die Sache mit Gott, wollen wir dem Amazon-Imperator nicht unterstellen. Er muss sich nicht zu etwas erheben. Was auf Erden nötig, besitzt er längst in Hülle und Fülle: Geld. Dagegen wirken Staaten oder ihre zänkischen Kontinentalbündnisse längst überkommen und lächerlich wie gleichermaßen ohnmächtig. Stefan Baron, einst Kommunikationschef der Deutschen Bank und vormals Chefredakteur der Wirtschaftswoche, nicht im Verdacht, politisch links zu stehen, sagte es in einem Interview sehr direkt: „Die USA ist eine Oligarchie, mehr noch: eine Plutokratie. Präsident werden oder in eine politische Führungsposition kommen, kann man dort zum Beispiel nur noch mit der finanziellen Unterstützung superreicher Sponsoren, der Wall Street, aus dem Silicon Valley oder den großen Rüstungsunternehmen. Entsprechend ist deren Einfluss auf die politische Agenda.“ Somit kann Jeff schon lange ein Pferd zum Senator machen. Damit wären wir wieder im Römischen Reich. Dieses hat in seiner tausendjährigen Geschichte allein für den Untergang immerhin 300 Jahre gebraucht.
Schaut man heute ehrlich auf diesen Planeten und die ihn bevölkernden Menschen in ihrer Selbstzerstörungsorgie, kann man nicht mehr wirklich an 300 Jahre glauben. Klima in enger Kopplung mit latenter Überbevölkerung, Viren, Seuchen, Feuer usw. sorgen für ein mulmiges Gefühl, um das Wort „Endzeitstimmung“ zu vermeiden. Diese nicht aufkommen zu lassen, dafür sorgen auch Filmpakete von MGM in Verbindung mit Bierkästen zum Sonderpreis. Die oberen 10.000 bereiten sich derweil vor. Was früher Utopie oder spinnerte Fantasie ist heute reale Möglichkeit. Der Gleichklang aus Geld + Einfluss = Macht sorgt für die richtige Ausgangslage.
Aus dem Weltall auf den Planeten schauen, den die Habgier der Superreichen zu allen Zeiten entschieden mit zerstört, kann für jene eine beruhigende Aussicht sein. Die Brieftasche, also wie auf der Erde, entscheidet über die neuen Himmelsstürmer. Nichts für Krethi und Plethi. Da muss man schon tiefer in die Tasche greifen. Ein ungenannter Mitreisender hat vor wenigen Tagen 28 Millionen Dollar hingeblättert, um einen der Plätze in Jeffs Rakete zu ergattern. Für die Plätzchen in den künftigen Raumstationen der Abgehobenen werden sich die Preise sicher noch fürstlicher gestalten. Wer hat, der hat. Falls diese Stationen dennoch nicht abwechslungsreich – solche Art Eliten langweilen sich schnell – könnte man auf dem Mond einmal im Jahr den Weltuniversum-Gipfel abhalten, um sich an selige Zeiten in Davos zu erinnern. Dabei selbstredend verträumt ein Gläschen Château Lafite Rothschild schlürfen. Vielleicht hören wir, die wir nach oben glotzen, das Klirren der Gläser. Ein letzter Gongschlag, bevor wir hier final verbraten. Wenn man dann mit letztem Blick nach oben schaut, könnte die Idee entstehen – so viel Neid auf den guten Tropfen und den tollen Ausblick darf bitte erlaubt sein – doch irgendwie HAL mit an Bord und an deren Hals zu wünschen. (Dieser Wunsch ist nur für Kubrick-Fans verständlich. Obwohl: Hat „2001: A Space Odyssey“ inzwischen jemand final entschlüsselt?)
Oligarchen und Scheichs lieferten sich vor nur wenigen Jahren noch Wettkämpfe, wer wohl die längste Yacht auf den Wassern dieser Welt. Sobald es dann nur die Zweitgrößte war, haben diese umgehend den maritimen Spaß verloren und eine neue in Auftrag gegeben. Natürlich länger. Diese Wettkämpfe laufen nach wie vor, sind aber etwas aus der Mode. Wer was auf der hohen Kante, der will eher zu den Sternen. Ein anderer Sternensucher, der US-Milliardär Richard Branson, will auf den letzten Metern Jeff noch überholen. Er ist eher ein armer Wicht, der angeblich nur 5,2 Milliarden US Dollar besitzen soll. Über das Vermögen von „Jeff“ sprachen wir noch nicht. Dieses soll irgendwo um 200 Milliarden liegen, nicht Meter oder Zentimeter, sondern Dollar. Na dann guten Flug.
Neben Kubricks „2001: A Space Odyssey“ kann zum Thema noch empfohlen werden „Die dummen Streiche der Reichen“ mit Louis de Funès und Yves Montand in den Hauptrollen aus dem Jahre 1971. Wer lieber liest: „Ihr da oben – wir da unten“, der Klassiker von Bernt Engelmann und Günter Wallraff. Dieser alte Schinken liest sich nach wie vor federnd und leicht, weiterhin erschreckend und erhellend. Hinter den unterschiedlichen Masken sah Geld, Besitz und Reichtum, sobald die Verschleierung fiel, immer gleich aus. Das Schlusswort dazu erhält der 1995 verstorbene Dramatiker Heiner Müller. Seine posthum veröffentlichte und bei Suhrkamp erschienene Textsammlung zum Kapitalismus trägt den Titel: „Für alle reicht’s nicht“.