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Ort des Grauens

Frauen und das Klima waren die ersten Opfer. Sie werden nicht die letzten Opfer bleiben. Damit sind wir in Washington am Obersten Gerichtshof. Von dort geht unser Blick dennoch nach Berlin und Europa, bevor wir uns den schwarzen Roben der US-Justiz erneut zuwenden. Die Bundesaußenministerin bekundete unlängst volles Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der US-Justiz in Sachen der anstehenden Auslieferung des Journalisten, Aufklärers und Whistleblowers Julian Assange. Wo immer Frau Baerbock Vertrauen, Weisheit oder gar Erleuchtung in dieser Sache erworben hat, sie lag damit arg falsch. Irgendwie ging ihr dieses Licht noch auf. Seither redet sie von einem anderen Rechtsverständnis zwischen Europa und den USA in Geheimhaltungsfragen. Nun gut. Rechtsverständnis? Wie bitte? Es geht den USA um ein Rache-Exempel der besonderen Art, das vollzogen werden und als abschreckendes Beispiel für alle Wahrheitssucher rund um den Globus dienen soll. Nützliche wie skrupellose Handlanger dafür wurden schon gedungen. Die Auslieferer von Assange, der britische Premierminister Boris Johnson, ein skrupelloser und überführter Gewohnheitslügner und seine willfährige Innenministerin Priti Patel, haben der amerikanischen Schlachtbank das Opfer schon mal vorgewärmt.

Assange brachte die Wahrheit. Dafür von Europa geopfert? (Collage: Caitlin Johnstone auf Pixabay)

Wer noch naiven Illusionen über den Rechtsstaat USA und dessen Obersten Gerichtshof (Supreme Court) nachhängt, der könnte den konservativen Publizisten Jacob Heilbrunn lesen. Der Chefredakteur eines erfolgreichen konservativen US-Debattenmagazins (The National Interest) steht nicht im Verdacht, ein Linker zu sein. Er publiziert regelmäßig in Deutschland und in deutscher Sprache. Sein US-Bild ist längst ein Zerrbild des Grauens und hat viel mit der Macht und den gefällten wie bevorstehenden Entscheidungen des Supreme Court zu tun. Der von Donald Trump umgebaute Gerichtshof ist ein erzreaktionäres Organ, welches mit seiner fundamentalistischen Mehrheit die USA in die Rechtlosigkeit zurückführt. Die Herrschaften legen dabei Tempo vor. Erst das verheerende Urteil gegen Millionen Frauen in Fragen der Abtreibung, nun die Entscheidung der Richter, die Rechte und Handlungsfähigkeit der amerikanischen Umweltbehörde (EPA) drastisch zu beschneiden. Dieses Urteil ist für weltweite Klimaschutzbemühungen eine Art Super-GAU. Man kann den Umweltschutz jetzt einstellen. Industrie, Konzerne, Lobbyisten und Weltzerstörer, dabei bitte nicht die raumfahrenden Milliardäre auf der Suche nach neuen Lebensräumen vergessen, haben auch juristisch gesiegt. So sieht neoliberale und reaktionäre Rechtsprechung im Kapitalismus eben aus. Wundert sich wer?

Mit alledem längst nicht genug. Der Weg zum Einparteienstaat wird vorangetrieben. Die Republikaner feilen gerade an einer Gesetzgebung, die es der sozialen Unterschicht in den USA unmöglich macht, sich überhaupt in Wahllisten einzutragen. Da sich aus diesen Bevölkerungsgruppen mehrheitlich Stimmen für die Demokraten herausbilden, ahnt man die Stoßrichtung. Der Supreme Court steht schon Gewehr bei Fuß, auch diesen Demokratieabbau durchzuwinken. Jetzt sei Jacob Heilbrunn zitiert: „Die Richter könnten Wahlsiege der Demokraten bald unmöglich machen.“ Demokratie?

US-Kongress. Ort für Lobbyisten und Demokratieabbau. (Foto: oljamu auf Pixabay)

Wobei ein System, in dem seit jeher zwei relativ identische Parteien sich austauschen und abwechseln, dabei als Grundvoraussetzung für Politik den persönlichen Millionärsstatus erfordern, als Demokratie zu preisen, war schon immer ambitioniert wie leichtgläubig. Zumal Politik in den USA vom Geld der Lobbyisten abhängig und nicht von der Willensbildung des Volkes. Ein Blick auf die Waffenlobby reicht für diese Erkenntnis aus. Die Republikaner haben jedenfalls ihre Maske fallengelassen, Trump alles losgelöst und enthemmt, was noch mit notdürftiger Tünche die äußere Fassade Demokratie in dieser Partei vorgaukelte. Er war nie allein, diese Mär ist ein deutsches Medienmärchen. Die Republikaner erwarteten einen wie ihn mit heißen Herzen. Heute ist die Partei von Abraham Lincoln eine fast rechtsradikale Vereinigung und latente Gefahr für die Menschen in den USA und der Welt. Den entscheidenden Punkt setzten Trump und Senator Mitch McConnell mit der Veränderung der Richterstruktur am Supreme Court. Ein Meisterstück des Grauens und des radikalen Gesellschaftsumbaus, fortgeführt durch die ernannten reaktionären Fundamentalisten in Richterroben. In den Startlöchern für diesen Gesellschaftsumbau nicht nur Donald Trump in einer Art Verlängerung, sondern noch viel schlimmere Geister. Wer die Politik von Florida-Gouverneur Ron DeSantis beobachtet und sich diesen als republikanischen Präsidenten vorstellt, der könnte schnell Sehnsucht nach Donald Trump bekommen, der dagegen wie ein liberaler Friedensstifter wirkt. Krieg hat übrigens dieser Trump in der Tat nie betrieben. Wenigstens das. Was andere Republikaner nicht von sich behaupten können, hier nochmals der Name Bush genannt.

Dieser Gerichtshof war einmal eine Bastion gegen radikale Anfeindungen und in manchen Zeiten ein Juwel des amerikanischen Staates. Selbst in Zeiten eines Richard Nixon schickten auch die von Republikanern ernannten Richter Muhammad Ali nicht wegen dessen Kriegsdienstverweigerung in Vietnam ins Gefängnis, sondern in die Freiheit. Heute undenkbar. Der Verfall der Sitten begann mit dem Namen Bush. Schon als der Wahlbetrug von George W. Bush goutiert wurde, in dem das Oberste Gericht die Nachzählung von Stimmen beendete und Al Gore um die Präsidentschaft brachte, war klar, hier wuchs ein parteipolitisches Organ der Republikaner heran. Dieses Grauen in Form der höchsten Richter dämmert mittlerweile vielen US-Bürgern, die allerdings in der Minderheit, darunter eben Leute wie Jacob Heilbrunn und andere moderate Konservative. Aber es könnte schon zu spät sein. Weil eine durch Medien und  Tittytainment dumpf gemachte Masse nur noch wenig Interesse für die Demokratie und ihre Institutionen aufbringt. Wer die Leute verblödet, darf sich nun wirklich nicht beschweren, wenn die dann auch blöd werden.

Ohnmächtiges Wrackteil treibt im rechten Fluss. US-Präsident Joe Biden (Collage: heblo auf Pixabay)

Was Justiz und Richter in Blüte ihrer Untugenden zu bieten haben und was ein historisches zu spät kommen in Politik und Gesellschaft bedeuten kann, davon ließe sich gerade in Deutschland einiges erzählen. Das Ende der Weimarer Republik haben nicht nur die braunen Hemden, sondern vornweg auch die Herren mit ihren Roben in den Gerichtssälen befeuert. Das Dritte Reich baute dann auf selbige Braunhemden und die Totenköpfe, natürlich auf die Wehrmacht und bis in den Untergang hinein auf eine willfährige und stets verlässliche Blut-Justiz.

Im Weißen Haus sitzt derweil ein Präsident der Demokraten, der für sein Land problemlos die Europäer ans Gängelband legen kann, dem aber offensichtlich die Übersicht abhandengekommen, wie das herauf dämmernde Ende der Demokratie in den USA an rasantem Tempo zunimmt. Joe Bidens Totalversagen und Scheitern in der US-Innenpolitik hat ein europäisches Gegenstück. Frau Ursula von der Leyen, sonst mit klebrigen Moralfingern in jedem Quark dieser Welt rührend, schweigt zu allem Unsäglichen, was so aus den USA auf die Welt zukommt. Ob nun Assange, die Abtreibungsfrage oder der K.-o.-Schlag gegen das Klima. Europas Moralwächterin und höchste Würdenträgerin personifiziert mit ihrem Schweigen den moralischen Bankrott eines Kontinentes, der sich einmal der Aufklärung verschrieben hatte. Wäre der Kontinent Europa ein lebendiges Wesen mit einer Stimme, könnte dieses Wesen im Angesicht seiner Königin Ursula von der Leyen mit Fug und Recht sagen: „Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr.“

*Titelbild: Supreme Court, Washington (Foto: William Murphy auf Pixabay)

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