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Esperança! Vitória?

„Die Welt schaut auf etwas“, ist eine arg oft benutzte und daher abgedroschene Medienkeule, die niedersaust, um Aufmerksamkeit zu generieren. Das Schicksal wird natürlich medial oft bemüht, als ginge es keine Nummer kleiner, dabei in Form von „Schicksalswahl“ gerne bedient. Oft schaut weder das Schicksal und noch nicht mal ein Hundertstel der Welt auf etwas, worauf laut Schlagzeilen die ganze Welt blickt. Im Fall Brasilien und der dort heute anstehenden Wahl um das Präsidentenamt schauen durchaus auch viele Menschen nach Brasilien, die weit außerhalb dieses Landes leben. Natürlich jene politisch interessierte Bevölkerung, die noch in der Lage ist, irgendwo hinzublicken. Wer in Afrika um sein Leben kämpft, weil kein Wasser in der Nähe oder in Europa längst obdachlos oder völlig verarmt, der schaut nicht nach Brasilien. Jene, die schauen, hoffen auf einen Ex-Präsidenten. Die französische Tageszeitung „Le Monde“, welche neben dem rechts-konservativen „Le Figaro“ bis heute wohl immer noch das Flaggschiff unter den Zeitungsmedien in Frankreich ist, brachte Brasilien sogar auf die Titelseite der Wochenendausgabe. Die Brisanz und Wichtigkeit dieser Wahl sind der Redaktion von „Le Monde“ bekannt. Dort wissen sie sehr genau, es gibt nur eine vage Hoffnung, die heißt Lula.

Au Brésil, un vote crusial pour le pays et le climat. (In Brasilien, eine entscheidende Wahl für Land und Klima.)

Luiz Inácio Lula da Silva, der, wie in Brasilien üblich, oft in Kurzform angesprochen wird, bei ihm eben Lula, ist letzte Hoffnung der Brasilianer und zumindest in Klima- und Umweltfragen, ein Stück weit auch für die globale Gemeinschaft.

Die Hoffnung. Collage aus dem brasilianischen Wahlkampf.

Der Gegenkandidat, ein Verbrecher, Präsident Jair Messias Bolsonaro. Dieser faschistoide Präsident, vergleichbar mit dem Belorussen Alexander Lukaschenko, ist neben den Zutaten eines machtbesessenen und korrupten Politikers, worunter die Brasilianer zu leiden haben, seit Jahren in der Lage, den Amazonas zu zerstörten und machte davon regen Gebrauch. Ein Partner globaler Großkonzerne, in diesem Fall der mächtigen Fleischindustrie, denen das Wohl der Menschen und dieser Planet am Hintern vorbeigehen, wenn sie nur ihre Taschen weiter füllen können.

Der Untergeher. Collage aus dem brasilianischen Wahlkampf.

Als dieser Bolsonaro – im Zusammenspiel mit einer willfährigen und korrupten Justiz – Lula ins Gefängnis werfen ließ, waren es übrigens auch deutsche Medien, die den Sprachgebrauch des Bolsonaro-Regimes übernahmen, um Lula zu desavouieren. Schließlich ist Lula auf der linken Politikseite einzuordnen. Und wo dieses der Fall ist, muss jemand wie Lula sich in Deutschland natürlich den Stempel „extremistisch“ und „linksradikal“ gefallen lassen. So ging es Corbyn in Großbritannien und auch Mélenchon in Frankreich, so geht es allen linken Kräften, die in Lateinamerika Regierungen stellen. Der Hugenberg-Geist schwappt nach wie vor durch die Geisteshaltung deutscher Medien und ist lebendig wie eh und je, vor allem wenn der Neoliberalismus in Gefahr. Befremdliches Beispiel der Niedertracht: Die mediokren Redakteure der ARD-Tagesschau schreiben in ihrer Überschrift in Sachen Lula: „Hoffnungsträger oder Krimineller?“ Damit nehmen sie die reaktionären Hetzkampagnen gegen Lula sprachlich auf und machen sie sich zu eigen. Was für erbärmliche Figuren.

Die Politik weltweit nicht viel besser. Politische Kräfte von Gewicht auf dieser Welt haben Bolsonaro zu diversen Gipfeln und Gesprächen am Tisch gehabt, ob Putins Russland, das chinesische Reich oder die USA, natürlich auch die eher zwergige EU, die arabischen Potentaten nicht zu vergessen. Bei Petitessen hat man ihm leicht die Leviten gelesen, bei existenziellen Fragen natürlich in Ruhe und unbehelligt gelassen. So wurde der Regenwald weiter abgeholzt, Menschen vertrieben und das unsägliche Werk dieses Zerstörers bis zum heutigen Tag fortgesetzt. Jetzt hoffen viele auf Lula. Nicht alle. Der brasilianische Fußballer Neymar, schmarotzender Sauger an der Geldblase des Fußballs und dadurch vielfacher Multimillionär in Paris, den nur Narren und im Fußball absolut unkundige Zeitgenossen mit Messi, Pelé oder Maradona auf eine Stufe stellen können, ist ein eifriger Bolsonaro-Unterstützer. Vielleicht sollten Eltern, die ihren Kindern Neymar-Trikots kaufen oder schenken, darüber einmal nachdenken.

Jahrzehnte für Menschenrechte und das Klima aktiv. Roger Waters. (Foto: Twitter Waters)

Der legendäre Roger Waters (79), Mitgründer, Sänger und Bassist von Pink Floyd, ist dagegen ein engagierter und euphorischer Lula-Anhänger, wie es sie in vielen Regionen der Welt gibt. In persönlichen Beiträgen auf seinem Social Media Profil zeigt er das von Bolsonaro angerichtete Chaos in der brasilianischen Gesellschaft auf, prangert dessen Umweltvergehen immer wieder an. Setzen wir vor allem für die uns nachfolgenden Generationen, so diese uns am Herzen liegen, gemeinsam mit Roger Waters auf den Hoffnungsträger Lula. Vergessen wir dabei aber bitte nicht, auch jener wird nicht zaubern können. Falls Bolsonaro besiegt werden sollte, wird das Kapital in Form von skrupellosen Milliardären bleiben, die es auch in Brasilien gibt. Mächtige Konzerne mit ihren Interessen werden weiter im Krieg der Reichen gegen die Armen aktiv agieren, Lula sabotieren und bekämpfen, wo es nur geht. Schließen wir dennoch, weil Hoffnung angeblich zuletzt stirbt, mit einem positiven Twitter-Appell von Roger Waters:

Morgen ist der Tag, um zur Wahl zu gehen und für Demokratie zu stimmen, für Hoffnung zu stimmen.

*Titelbild: David Peterson auf Pixabay

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