Leben

Vom Eise befreit

Wenn es regnet, meckert der Berliner, der dies aber auch tut, wenn die Sonne scheint. Mittlerweile wohl auch der Münchner, weil dort das Wetter nach Ansicht der Berliner auch nicht mehr, was es einmal war. Da könne man gleich in Berlin bleiben und Hamburg hat sowieso überhaupt kein Wetter. Deutsche Befindlichkeiten in Sachen Wetter, gern im Taxi oder beim Friseur ausgebreitet, waren schon vor dem Wort Klimawandel beliebte Pausenfüller und Zerstörer wohliger Stille. Längst sind Meldungen über das Wetter und Gespräche über Selbiges kaum noch beiläufig. Zu drastisch hat sich das Wort Wetter an das Wort Katastrophe gekoppelt. Was einst eher der Konversation oder Nörgelei diente, greift heute mächtig ans Leben und immer mehr Menschen bekommen ein Bewusstsein dafür. Natürlich wächst auch die Zahl der Ignoranten weiter an, was in der Natur des Menschen liegt, der ohne Pro und Kontra nicht gedeihen will. So tätigen wir heute bei GERADEZU einen erneuten Blick auf Wetterkapriolen, die das verniedlichende Wort nicht verdienen. Dabei durchaus bekennend, sich nicht bei den Ignoranten einzuordnen, eher denen zuzurechnen, welche sich in aller Unbeholfenheit des Laien ein neues Bewusstsein für Klimafragen und Wetterverhältnisse aneignen. Es wird hier freimütig eingestanden, bei Beschäftigung mit dem Gegenstand vergeht einem langsam der Spaß, Regen und Sonne hin oder her. Es ist nicht gut bestellt um unsere Erde. Das Aufbegehren der Jugend gegen einen immer wahrscheinlicher werdenden klimatischen Super-GAU ist absolut berechtigt. Ob Dürre, Überflutung, zerstörende Orkane, Flammeninfernos und unerträgliche Hitze. Rund um den Globus kommen die Naturkatastrophen in unterschiedlichem Gewand daher. So auch in Grönland.

Zum ersten Mal, seit es darüber Aufzeichnungen gibt, ist auf den Gipfeln der einst gigantischen Eiskappe Grönlands, die unaufhörlich dahin schmelzen, nun sogar Regen statt Schnee gefallen. Für Meteorologen und Klimaforscher ein beunruhigendes Zeichen. Auf dem 3.216 Meter hohen Gipfel, liegen die Temperaturen normalerweise immer unter dem Gefrierpunkt. Der Niederschlag ist für alle Fachleute ein deutlicher Beleg für die Klimakrise. Vor Ort aktive Wissenschaftler der US National Science Foundation konnten im Tagesverlauf des 14. August 2021 dieses historische Wetterereignis aus nächster Nähe beobachten. Es fiel über den ganzen Tag hinweg Regen. Die Beobachtung musste reichen, weil es für diesen Fall keinerlei Messvorrichtungen gibt, da kein Wissenschaftler auf der Welt je mit so einem Ereignis in der Arktis rechnete. Mit den vorhandenen Geräten und Beobachtungen konnte immerhin ermittelt werden, dass in ganz Grönland schätzungsweise 7 Milliarden Tonnen Wasser aus den Wolken freigesetzt wurden. Dem Regen gingen wie eine böse Vorankündigung drei außergewöhnlich heiße Tage in Grönland voraus, als die Temperaturen stellenweise um 18 °C über dem Durchschnitt lagen. Infolgedessen wurde im größten Teil Grönlands ein rapides Schmelzen beobachtet, auf einer Fläche, die etwa viermal (!) so groß wie Großbritannien ist. Bereits im Mai 2021 berichteten Forscher, dass sich ein erheblicher Teil des grönländischen Eisschildes einem dramatischen Kipppunkt nähert, wonach ein beschleunigtes Schmelzen unvermeidlich wäre, selbst wenn die globale Erwärmung gestoppt würde. Dazu passt dann der auch auf den GERADEZU Seiten schon thematisierte Bericht des Weltklimarates (IPCC), welcher zu dem Ergebnis kam, dass es „eindeutig“ sei, dass die durch menschliche Aktivitäten verursachten Kohlenstoffemissionen den Planeten erhitzen, was Auswirkungen wie schmelzendes Eis und steigende Meeresspiegel zur Folge hat.

Ausblick Hochwasser (Foto: Corinna Behrens auf Pixabay)

Der renommierte Klimaforscher Ted Scambos, äußerte sich gegenüber dem Nachrichtensender CNN wegen des eingetretenen Regens über Grönlands Gipfeln unmissverständlich: „Was hier vor sich geht, sind nicht nur ein oder zwei warme Jahrzehnte in einem wandernden Klimamuster. Dies ist beispiellos. Wir überschreiten Grenzen, die seit Jahrtausenden nicht mehr gesehen wurden, und ehrlich gesagt wird sich dies nicht ändern, bis wir unser Verhalten an das Klima anpassen.“ Wissenschaftlern zufolge schmilzt Grönlands Eis schneller als je zuvor in den letzten 12.000 Jahren, wobei der Eisverlust im Jahr 2019 bei einer Geschwindigkeit von etwa 1 Million Tonnen pro Minute lag. Zur Erinnerung: Der globale Meeresspiegel würde um ca. 6 Meter ansteigen, wenn das gesamte Eis Grönlands schmelzen würde. Selbstverständlich würde dies Jahrhunderte oder Jahrtausende dauern. Aber die Billionen Tonnen, die Grönland seit 1994 verloren hat, treiben den Meeresspiegel in die Höhe. Der Meeresspiegel ist bereits um 20 cm gestiegen, und das IPCC sagte, dass der wahrscheinliche Anstieg bis zum Ende des Jahrhunderts weitere 28 bis 100 cm betragen könnte. Damit werden die Küstenstädte und Küstenregionen rund um den Globus in akute Gefahr geraten. Auch diese Uhr tickt gegen uns und läuft unaufhaltsam ab.

*Titelbild: Grönland (Foto: Jean-Christophe ANDRE auf Pixabay)

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