Interessantes

Vorgeschmack

Hier soll es ausdrücklich nicht um die Aussage der Whistleblowerin Frances Haugen gehen, die vor dem US-Kongress zusammengefasst die Ansicht verbreitete, Facebook stelle Gewinne über das Wohl der Menschen. Ach was! Ob sich von den Millionären im US-Kongress irgendwer gekniffen hat und die Frage stellte, welchem börsennotierten Unternehmen es nicht um Gewinne und stattdessen um das Wohl der Menschen geht? Diese Meldung machte jedenfalls die weltweite Runde durch die Medien nebst Empörung über den Facebook-Konzern. Überall dabei die gleiche Entrüstung über die „Entlarvung“, es ginge Facebook nicht um die lieben Menschen, sondern um den schnöden Mammon. Welche Lächerlichkeit. Lebenselixier, Grundtugend oder Ursünde des Kapitalismus, je nach Betrachtung, quasi als sensationelle Neuentdeckung. Als würde man vermelden, die Erde ist doch keine Scheibe. Wir wollen eher einen Gedanken für den seidenen Faden verschwenden, an dem unser aller technische Abhängigkeit baumelt.

Wer naiv glaubt, das iPhone oder Smartphone und deren unendliche Möglichkeiten zur Teilhabe an der digitalen Welt sind der Mittelpunkt des Universums, sollte einen Moment des Nachdenkens einlegen, bevor er sich der nächsten App widmet. Der ca. sieben Stunden dauernde Total-Ausfall im Imperium des Mark Zuckerberg bei Facebook, Instagram und WhatsApp könnte als Warnschuss verstanden werden. Laut dem Zuckerberg-Konzern war wohl eine fehlerhafte Konfigurationsänderung für den technischen GAU verantwortlich. Ungefähr 3 Milliarden Nutzer von Zuckerbergs Unternehmensdienstleistungen konnten weltweit die genannten Dienste nicht mehr erreichen. Es wurde außerdem von Medien gleich Herrn Zuckerbergs Verlust beziffert, der so um die 7 Milliarden US-Dollar betragen soll. Im Forbes-Ranking für 2021 wird Zuckerberg auf 114,4 Mrd. US-Dollar geschätzt. Jene, die ihn für arm halten, meinen es seien „nur noch“ 50 Mrd. US-Dollar. So oder so, die Panne wird ihn nicht unmittelbar zur Armenspeisung treiben. Eine Sorge weniger. Anstelle der Sorge vielleicht ein Gedanke. Jeder sollte sich nochmals bewusst machen, sozusagen ein Knopfdruck reicht und der digitale Spaß und was vor allem junge Menschen irrtümlich mit Freiheit verwechseln, einige gar für das Leben halten, ist weg, aus und vorbei. Globale Mächte sind heute schon in der Lage, so es notwendig wäre, die Strom- und Energieversorgung ganzer Länder zum Erliegen zu bringen, Netzwerke ersterben zu lassen, jedwede Kommunikation aus- und abzuschalten, bei Bedarf die Weltbevölkerung vom Netz zu nehmen. IT-Experten sind längst die neuen Nuklearwaffen der modernen Kriegsführung. Militärs und Geheimdienste wissen sich ihrer zu bedienen und mit deren Ergebnissen umzugehen. Die Tech-Konzerne und IT-Giganten, welche sich selbst längst als die wahren Großmächte auf dem Planeten sehen und auch so gebärden, sollten jene Spitzenmilitärs und Topgeheimdienste der Supermächte nicht unterschätzen. Diese könnten sich jederzeit mit der nötigen Rückendeckung ihrer jeweiligen Regierung erfolgreich mit den IT-Riesen anlegen und dann dabei nicht verlieren. Wir Normalverbraucher würden dabei als Statisten dämlich in der Gegend umher stehen und mit offenem Mund staunen. Dann schon ohne Netz.

Die Welt ist ein fragiles Netzwerk. (Bild: Pete Linforth auf Pixabay)

Man sollte nicht nur auf technische Fehler, die Möglichkeiten von Großmächten oder einfache Pannen schauen. Ein pubertierender Hacker kann schon Gefahr für die fragile Digitalwelt darstellen. Um zu begreifen, wie flüchtig dieses digitale Universum ist, braucht es vielleicht ab und an einmal solche Ausfälle, damit die Menschen mitbekommen, was sie umgibt und im privaten Leben wie im beruflichen Alltag von morgens bis abends beschäftigt, womit sie sich beschäftigen. Ob Familie, besagter Alltag, Beruf, Essen und Trinken, Beziehung, Liebe, Sex, Hobbys, Kaufen und Verkaufen, Hören oder Sehen, Denken oder Schlafen, Stillstand oder Bewegung, Geburt und Tod, in allem gibt es schon heute einen digitalen Anteil. Das eigene Leben längst ein Netzwerk. (In der New York Times war zu lesen, Leute, die ihre Heizung über Facebook regeln, hätten wegen der Panne nun gefroren. Nun ja.) Für die einen ist die digitale Teilhabe Segen und pure Freude, für die anderen Notwendigkeit, für manche ein Irrenhaus. Entgehen kann man dieser Welt nicht mehr, ob man ihr nun euphorisch, notgedrungen oder skeptisch angehört. Denkt jemand in seinem täglichen Allerlei ernsthaft darüber nach, wie fragil das weltweite Netzwerk sein könnte? Innehalten ist dem Menschen schon vor langer Zeit abhandengekommen. Wozu nachdenken, wenn es dafür längst diverse Apps gibt oder Wikipedia und Google den Rest erledigt, künstliche Intelligenz bald vor der Tür steht? Wer in der digitalen Welt seine Heimat sieht und sogar weite Teile seines Lebens regelt, der muss wissen, sie kann ihm im Bruchteil einer Sekunde vollständig und für immer genommen werden. Darauf gab es in Sachen des Ausfalls im Facebook-Universum nur einen kleinen Vorgeschmack. Die Konkurrenz und deren Nutzer (z. B. Twitter) jubelten und verbreiteten deswegen Häme. Verständlich. Dabei jene User-Kommentare lustig, die sich freuten „ich bin ja bei Signal, ich bin ja bei Twitter“. Nun gut, Naivität ist offensichtlich kein Alleinstellungsmerkmal der Zuckerbergkundschaft. In diesem Sinne uns allen weiterhin viel Spaß in der schönen neuen Welt, solange diese verfügbar.

*Titelbild: Kevin King auf Pixabay

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