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Wochenendsplitter IV

„Fangen Ihre Augen an zu funkeln, wenn Sie den Namen hören? Damit sind Sie nicht allein, dass es fast ganz Deutschland beim Gedanken an den österreichischen Kanzler ähnlich warm ums Herz wird“. Nein, nein, hier wird nicht aus dem deutschen Grauen zwischen 33 und 45 zitiert. So las es sich im Sommer dieses Jahres in der blumigen Sprache einer Dame, die Chefreporterin bei einem Springer-Blatt. Bei solchen Stilblüten wird einem eher anders und auch nicht ums Herz. Der Kölner nennt so etwas „plümerant“. Das Blatt der Niedertracht schrieb über selbigen Kanzler im Jahre 2017: „Warum haben wir nicht so einen?“ Die Rede natürlich von Sebastian Kurz, dem (noch) aktuellen Kanzler der Republik Österreich. Vor Tagen dudelte der Anführer der „Jungen Union“ Tilman Kuban dieser Tonlage hinterher: „Wir brauchen einen deutschen Sebastian Kurz.“ Ach was! Sein Parteikumpel Christoph Ploß aus Hamburg, seines Zeichens dort Landesvorsitzender der CDU, assistierte und wünschte sich „für die CDU eine Erneuerung, wie sie der ÖVP mit Kanzler Sebastian Kurz gelang“. Na bitte. Die Kurz-Groupies hierzulande völlig aus dem Häuschen. Die Sache hat seit wenigen Tagen einen wachsenden Schönheitsfehler, der Kurz-Fanklub ist in kollektives Schweigen verfallen.

Österreich: Mauschelei wie zu Habsburger Zeiten.

Gegen Kurz steht allerhand im Raum. Staatsanwälte in Österreich nehmen an, dass positive Umfrage-Ergebnisse einer bestimmten Zeitung für Kurz über Steuergelder finanziert und bestellt wurden. Manipulation der Öffentlichkeit sozusagen über deren Steuern. Der Staat als Beute hört sich an wie Italien in besten Andreotti-Zeiten. Auch für Sebastian Kurz gilt die Unschuldsvermutung. Der Verdacht allerdings deftig. Sebastian Kurz wird in einigen unterschiedlichen Verfahren als Beschuldigter geführt. Die Vorwürfe reichen von Untreue, Beihilfe zur Bestechlichkeit bis zur falschen Zeugenaussage vor einem Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlamentes. Die Wahrscheinlichkeit einer Abwahl des österreichischen Bundeskanzlers im Parlament ist sehr hoch. Noch in der vor uns liegenden Woche könnte Kurz erneut sein Amt verlieren. Für Kurz nicht so toll, aber eventuell Segen für die CDU in Deutschland. Man könnte doch mal anfragen ob da nicht Interesse… Doch Eile ist geboten, sonst ist das Wiener Sonnenkind nicht mehr frei. Als Kurz im Mai 2019 wegen der Ibiza-Affäre im Parlament erstmals abgewählt wurde, konnte er im September 2019 einen überwältigenden Wahlsieg einfahren. Die Österreicher haben etwas übrig für majestätische Auftritte, Hinterzimmer-Mauschelei und kleine wie große Gefälligkeiten, dabei anfällig für vielerlei populistischen Donner. Damit sind die Österreicher wahrlich nicht allein auf dieser Welt. Zum besseren Verständnis kann ja nochmals „Radetzkymarsch“ von Joseph Roth gelesen werden. Was auch der CDU anzuraten. Darin geht es um den schleichenden Verfall einstiger und dann tönerner Größe nebst verwelkendem Ruhm, der nur noch Ballast.

CDU: Nach Merkel Kampf der Zwerge. (Foto: Wolfgang van de Rydt auf Pixabay)

Armin Laschet geht wohl nun. Oder doch nicht ganz? „Halb zog es ihn, halb sank er hin“. Egal was kommt und folgt. Eines wird Laschet noch in voller Breitseite auskosten können, wozu fast masochistische Züge nötig. Jeder in der CDU, die angeblichen Granden und Eliten, die Zwerge und Scheinriesen, alle werden sie sich an ihm die Füße abtreten und damit von ihrem eigenen Sündenkonto ablenken. Besser den Einzeltäter und Alleinschuldigen auf offenem Markt ausstellen als selber Spritzer auf der verlogenen Weste, die nie weiß. Laschet selber wird dabei ein ums andere Mal an eine ewige Politikwahrheit denken: „Feind, Todfeind, Parteifreund.“

Dort, wo die CDU mit oder ohne Laschet nicht hin will, im Tal ohne Aufmerksamkeit und Einfluss, wird auch Lärm gemacht. Es streitet darin jene Partei „Die Linke“ und ihr uninspiriertes Führungspersonal im Angesicht des politischen Todes und der hausgemachten und vom Wahlvolk manifestierten Bedeutungslosigkeit. Worüber ist schon fast egal. Mit dabei wohl wieder Sarah Wagenknecht, die es aus ihrer Eigenwahrnehmung rechts wie links besser weiß und kann. Sie wurde innerhalb weniger Monate von einer einstigen Hoffnung zur merkwürdigen Propagandistin von Fragwürdigkeiten, welche auch durch die in ihrer Botschaft untergebrachten Teile von richtiger Erkenntnis und Wahrheit nicht besser werden. Dieser Krach interessiert niemandem mehr. Linke in Selbsttherapie sind längst nicht mehr abendfüllend. Ein anderes Ereignis korrespondiert merkwürdig mit diesem Gekeife. Ab November 2021 übernimmt der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow turnusgemäß den Vorsitz im Bundesrat. Ein eher repräsentativer Posten. So ist mit diesem Amt die Stellvertretung für den Bundespräsidenten verbunden. „Die Linke“ sollte es genießen. Ramelow wird eine historische Figur bleiben, sowohl einziger als auch letzter Ministerpräsident dieser Partei. Eine Fußnote der Geschichte.

Spanien: Keine Revanche, nur ein Fußballspiel.

„Revanche gelungen“. So die deutsche Sportpresse im Dunst ihres Könnens. Worum geht es? Nach 37 Partien ohne Niederlage verlor der frisch gebackene Fußballeuropameister Italien ein Heimspiel gegen Spanien mit 1:2. Es fand statt im Rahmen der sogenannten UEFA Nations League, einer Turnierform die weder Fans noch Spielern viel bedeutet. Früher nannte man so etwas Freundschaftsspiel oder Länderspiel. Italiens Trainer Roberto Mancini brachte es auf den Punkt: „Irgendwann mussten wir ja wieder verlieren, besser jetzt als im EM- oder im WM-Endspiel.“ Spanien hatte das Spiel über die Hälfte der Zeit mit einem Mann mehr bestritten, Italiens Kapitän Leonardo Bonucci war früh vom Platz geflogen. Dennoch soll am spanischen Sieg nicht genörgelt werden, der verdient und beeindruckend. Aber gleich „Revanche“? Diese elendige und übliche Sportreportersprache, welche nie das richtige Maß findet. Spanien verlor das EM Halbfinale gegen Italien, damit die Chance auf den Titel. Der Sieg in einem Länderspiel, auch nicht in diesem Pseudoturnierformat, ist doch kein adäquater Ausgleich, schon gar keine „Revanche“. Spaniens Trainer Luis Enrique hat sich diese dämliche Wortwahl übrigens nicht zu Eigen gemacht.

Willy Brandt: Menschlich. Anständig. Visionär. Unvergessen. (Foto: Screenshot aus ZDF Doku.)

In Zeiten von Sondierungen und Ampel- oder Jamaika-Sprüngen mit der eventuellen Aussicht auf einen SPD-Kanzler soll hier ein historischer und erfolgreicher Sozialdemokrat, ein wirklich bedeutender Deutscher das Schlusswort erhalten, der vor 29 Jahren, am 8. Oktober 1992 verstorben.

„Als demokratischer Sozialist zielen mein Denken und meine Arbeit auf Veränderungen. Nicht den Menschen will ich ummodeln, weil man ihn zerstört, wenn man ihn in ein System zwängt; aber ich glaube an die Veränderbarkeit menschlicher Verhältnisse.“

Willy Brandt

 

*Titelbild: Hebi B. auf Pixabay

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