Über Tote natürlich nichts Schlechtes. Immer ein wunderbarer Deckmantel durch alle Zeiten. Vor allem in den Kreisen der Oberschicht und von selbst ernannten Eliten. Die Wahrheit allerdings sollte auch den teuren Toten nicht geschenkt werden. Zumal, wenn Leichen ihren Lebens- und/oder Arbeitsweg pflastern. Die Nachrufe auf die am 23. März 2022 verstorbene ehemalige US-Botschafterin bei der UN und spätere Außenministerin der Clinton-Administration, Madeleine Albright, sind hymnisch, verklärend und euphorisch. Flächendeckend im sogenannten Westen. Woanders ist man etwas stiller. Hier soll auf den Gabentisch der Verherrlichung nicht noch ein zusätzliches Juwel gelegt werden, sondern nur ganz schlicht an eine bemerkenswert grausige und zynische Äußerung der Verstorbenen erinnert werden. Diese lässt einem das Blut gefrieren, sofern man noch über einen Funken Restanstand und etwas Empathie verfügt.
Eine Anmerkung sei vor dem Zitat bitte noch gestattet: Joschka Fischer nannte Madeleine Albright eine Freundin, sein Unternehmen JF & C (Joschka Fischer & Company) arbeitet weltweit mit der „Albright Stonebridge Group“ zusammen. Was tat man gemeinsam? Man pflegte eine exklusive Partnerschaft und berät allerlei Leute für vielerlei Geld. Fischer ist mit seiner Zuneigung nicht allein. Seine Grünen haben sich etwas abgeschaut. Man wollte schon immer hoch hinaus. Die Bundestagsfraktion der Grünen hatte die US-Politikerin 2020 als Stargast zu ihrer jährlichen Herbstklausur eingeladen. So viel zu den Grünen, die uns Normalsterblichen gerne vom hohen Ross der Welterkenntnis auf dem Sattel moralischer Selbstgefälligkeit Werte predigen, die ihnen außer in parolenhaften Reden ziemlich egal und die sich bei genauerem Hinschauen meistens als Wichtigmacherei ohne Substanz herausstellen. Gut zum Fangen von Wählergruppen, weniger als Richtschnur für ein anständiges Leben geeignet.
Was nun die mittlerweile längst historische Bemerkung (Entgleisung) von Madeleine Albright angeht, die in den glanzvollen Nachrufen eher keine Erwähnung gefunden hat, ist diese schnell erzählt. Am 12. Mai 1996 saß die damalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen (UN) im TV Studio der US-Nachrichtensendung ’60 Minuten‘. Dort ging es auch um damals aktuelle Sanktionen gegen den Irak. Zu diesem Sachverhalt der Sanktionen, fragte Moderatorin Lesley Stahl: „Wir haben gehört, dass eine halbe Million Kinder gestorben sind. Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima umkamen. Und – sagen Sie, ist es den Preis wert?“ Die Antwort von Albright kam prompt und knapp, im kühlen Ton von imperial agierenden Großmachtpolitikern: „Ich glaube, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis – wir glauben, es ist den Preis wert.“
Was zählen schon die Leben von 500.000 Kindern im Gefüge globaler Ansprüche. Schwamm drüber. Möge nicht nur die Seele von Madeleine Albright in Frieden ruhen, sondern vor allem auch die all derer, welche für Albrights Vorstellung von Politik den Preis gezahlt haben. Mehr Nachruf heute nicht. Nur noch Shakespeare: „The rest is silence.“
*Titelbild: Skulpturen „Trauernde Eltern“ von Käthe Kollwitz. (Foto: janeb13 auf Pixabay)