Kultur

Finsternis und Licht

Gäbe es den Nobelpreis für Sachbücher, hier wäre ein verdienstvoller und grandioser Preisträger. Man soll ja mit Superlativen immer vorsichtig sein. Doch das Diktum von Rezensenten „Jahrhundertbuch“ stimmt im vorliegenden Fall absolut. „Kongo – Eine Geschichte“ von David Van Reybrouk, 2010 im Amsterdamer De Bezige Bij Verlag veröffentlicht und 2012 in der kongenialen Übersetzung von Waltraud Hüsmert bei Suhrkamp auch dem deutschen Lesepublikum zugänglich gemacht ist ein erschütterndes und aufklärerisches Geschichtswerk der Sonderklasse. Ein grandioses Meisterwerk. Wer wieder einmal über Flüchtlinge aus Afrika die Wohlstandsnase rümpft und im Bild-Ton mit dem AfD-Geist in seinem Hirn den Mund aufreißt, der sollte einfach das Maul halten und mit einem Denkprozess beginnen, im Idealfall unterstützend dieses großartige Buch lesen. Danach sollte er klüger und nachdenklicher sein. Was über Jahrhunderte wir Europäer, der Westen, die Großmächte und die Machtblöcke im Kalten Krieg, dem Kongo und Afrika angetan, bleibt eine Schande, deren Schuld nicht abzutragen. Was Afrikaner sich selbst angetan, man denke nur an eine Vielzahl blutiger Stammesfehden, reiht sich in diese Verhängnisse ein.

Flagge: Demokratische Republik Kongo (Bild: OpenClipart-Vectors auf Pixabay)

David Van Reybrouck nimmt uns mit in die Geschichte des Kongo, die exemplarisch für ganz Afrika. Krieg, Völkermord, Verwüstung und Tod, Kolonisation, Fremdbestimmung, Raubbau an Natur und Bodenschätzen sowie eine permanente Ausbeutung und Unterdrückung prägten ein Land und seine Bewohner, wie sie dem ganzen Kontinent und seinen Menschen den Stempel aufdrückten. Für diese Menschen änderte auch die Machtübernahme der eigenen Leute oftmals zu wenig, brachte neue Tragödien über sie. Der Zustand der Zerstörung von Leben und dessen Grundlagen bleibt oft erschütternde Alltagsnormalität. In diesen Alltag und zu den Menschen, die ihr Überleben Tag um Tag erkämpfen, führt uns Van Reybrouk. Wir sehen nicht nur die ewige Tragödie, das andauernde Schreckensszenario aus Blut und Gewalt. Was wir lesend erleben, ist auch der faszinierende Lebensmut der Menschen im Kongo (Zaire), dem wir dank des Autors nahe kommen. Die Träume und Wünsche und sogar Hoffnungen der dort Lebenden treten ganz authentisch vor unsere Augen. Nie beschreibt Van Reybrouck von oben herab oder dozierend, immer ist er in das Thema verwoben und wirklich bei der Sache. Sein Buch bereichert, lehrt und vermittelt Wissen und Menschlichkeit gleichermaßen. Was erwartet man mehr von einem Buch? Die Taschenbuchausgabe des Suhrkamp Verlags ist unter der ISBN 978-3-518-46445-8 weiterhin erhältlich. Das Buch liegt auch als eBook unter EPUB 978-3-518-77800-5 vor. Von dieser Stelle eine absolute Empfehlung.

Aktualität beweist die Notwendigkeit dieses Buches

Das Buch ist und bleibt in vielerlei Hinsicht wichtig und nötig. Einer, der sich gern zur Elite rechnet, was immer diese Elite auch sein soll, hat dafür ganz frisch einen Beweis geliefert. Dieser Tage ist zu lesen, wie der FDP Spender Frank Thelen sich herablassend und in klassischer Herrenreitermanier über Geburtenkontrolle und Sterilisation in Afrika auslässt, frei von der Leber in einem Podcast aus dem Jahr 2019. Der Biedermann als Brandstifter auf dem geistigen Niveau der Dame Thurn und Taxis. Besser lässt sich die Borniertheit neoliberaler Rassisten nicht schildern als in dieser Art entlarvender Selbstzeugnisse. Nun bietet Thelen viel Fantasie und PR auf, wieder gepaart mit einer Menge Dämlichkeit, um vom Ruf des Rassisten schleunigst runterzukommen. An einfache Lösungen denken solche Leute in eigener Sache nie. Mal das Maul halten und nicht dem Größenwahn selbst ernannter Eliten erliegen, zu allem und jedem etwas öffentlich absondern zu müssen. Uns alle könnte dies vor der moralischen Verkommenheit solcher Leute bewahren. Thelen sollte von seinem Vermögen 16 Euro opfern und unbedingt „Kongo – Eine Geschichte“ von David Van Reybrouck lesen. Es könnte helfen, seine verdrehte und hochnäsig weiße Weltsicht wieder in ein zivilisatorisches Lot zu bringen und ihn vom hohen Ross des reichen, gestrigen wie historisch dummen Mannes zu holen.

 

 

 

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