Kultur

Ich bin all hier

Die Gebrüder Grimm schrieben, sammelten und veröffentlichten Märchen auf Märchen, wer kennt sie nicht. Eines davon, die Geschichte vom Wettlauf, den Hase und Igel veranstalteten. Die schlaue Gerissenheit des Igels, mit der nötigen Verschlagenheit gepaart, besiegte letztlich den Hasen, man weiß um den Ausgang. Der berühmteste Satz des Märchens ist längst in den Zitatenschatz der nicht sehr zitatsicheren Deutschen eingegangen. „Ich bin all hier“, rief der Igel, der unvermeidlich schon im Ziel, welches der Hase gerade erreichte. Wo es den Hasen auch hintrug, der Igel war bereits da. Hier soll nicht das Buch der Brüder Grimm aufgeschlagen werden, sondern kurz auf einen geblickt werden, der auch immer und überall da und dort. Die Rede ist von Wolodymyr Selenskyj, dem aktuellen Präsidenten der Ukraine. Wir wollen hier nicht darüber spekulieren, ob dieser nun Igel-Eigenschaften oder nicht. Dafür gibt es ja deutsche Talkshows. Wir wollen nur die Fähigkeit der Allgegenwärtigkeit einmal kurz antippen, wie sie einen Briten dieser Tage in Auge und Ohr fiel.

Nichtsahnend fuhr der britische Journalist Louis Allday in den Südwesten Englands, um sich beim Glastonbury Festival ein bisschen Musik anzuhören und Festivalstimmung um die Nase wehen zu lassen. Noch ahnte er dabei nicht, bald die tiefe Erkenntnis eines deutschen Märchens verabreicht zu bekommen. Denn kaum bog er um die Ecke Richtung grüner Wiese und Bühne war da bereits einer, der schon sehr lange immer dort, wo Louis Allday seinem Job oder seinem Privatleben nachgeht. Aus den Lautsprechern hörte Allday noch „Glastonbury ist heute die größte Konzentration an Freiheit“ und wusste dies nicht richtig einzuordnen, dann sah er ihn von der Videowand prangen. Überdimensional und unübersehbar war er da. Wolodymyr Selenskyj. Allday spürte den Stich sofort. Gegen das „ich bin all hier“ von Selenskyj ist kein deutsches oder britisches Kraut gewachsen. Daher machte Louis Allday aus seinem Herzen keine Mördergrube und sprach spontan und öffentlich aus, was viele immer öfter denken und flüstern, aber dann doch lieber für sich behalten:

Kann jetzt buchstäblich keine große kulturelle Veranstaltung im Westen mehr stattfinden, ohne dass dieser Mann hereingebeamt wird, um mehr Waffen zu fordern?

*Beitragsbild: Ukrainischer Präsident Wolodymyr Selenskyj (Screenshot: CNN)

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