Porträts

Marcus Rashford

Das Titelbild (Entnommen vom Twitteraccount von MR.) zeigt eine spontane Solidaritätsaktion von Erwachsenen und Kindern für Marcus Rashford nach den üblen rassistischen Ausfällen gegen den englischen Nationalspieler.  

Der 23-jährige Marcus Rashford wurde im EM-Endspiel vom persönlichen Pech verfolgt, sein Elfmeter traf nicht das Ziel. Passiert oft und auch Weltklasseleuten. Mit dem Fehlschuss presste man Rashford in ein mieses Drama. Wie es im Fußball mittlerweile eher Regel denn Ausnahme, bricht sich bei solchen Ereignissen nämlich der übelste Pöbel Bahn. So brach über den englischen Nationalstürmer von Manchester United eine Welle von Rassismus britischer Couleur herein. Der Elfmeter war Anlass und Auslöser für rassistisch und gewaltbereit auftretende Idioten, eine Hasskampagne gegen Rashford loszutreten. Besonders schlimm daran, das politische Establishment in Großbritannien nimmt so etwas billigend in Kauf, befördert es klammheimlich, egal welche Art von Lippenbekenntnis vor Kameras das Gegenteil beschwören soll. Englische Fußballer unterschiedlicher Hautfarbe und Ethnien sind seit einigen Jahren auf Europas Fußballplätzen Opfer rassistischer Beleidigungen, davor nicht mal im Punktspielbetrieb der Premier League gefeit. Als ohnmächtiges, aber starkes Zeichen kniet sich seither die englische Nationalmannschaft vor Anpfiff kurz auf den Rasen, Beispiel gaben Sportler aus der NBA und AFL in den USA. Dafür bekamen die englischen Kicker weltweit Anerkennung. Herablassung gab es ausgerechnet aus Kreisen der vom Scharlatan Boris Johnson geführten britischen Regierung. Die Attacken der erzreaktionären britischen Innenministerin Priti Patel, es würde sich hierbei nur „um Symbolpolitik“ handeln, konterte nach dem Turnier der Nationalspieler Tyrone Mings: „Man kann nicht zu Beginn des Turniers das Feuer schüren, in dem man unsere Anti-Rassismus-Botschaft als ‚Symbolpolitik‘ bezeichnet und dann vorgeben, angeekelt zu sein, wenn genau das passiert, wogegen wir uns einsetzen.“

Das abgehobene Establishment der Torys war schon immer losgelöst von Bürgerinteressen, dem Gemeinwohl und moralischen Parametern. Das Land hatten jene dennoch im Blick und sich diesem Anliegen manchmal untergeordnet. Die heutige Führungsschicht Großbritanniens, auf Eliteschulen für Millionärssöhnchen erzogen, dort mit geschenkter Bildung und Verderbtheit gleichermaßen gestopft und jedweder Empathie beraubt, ist heute nur der Dekadenz, der Korruption und der Lüge zugeneigt. Dazu gehören auch Rachefeldzüge gegen jene, die ihren Ambitionen, sich den Staat zur Beute zu machen, öffentlich entgegenstehen und sich auch noch Gehör verschaffen können.

So einer, der sich Gehör verschafft hat, ist Marcus Rashford. Ein Dorn im Auge der Johnson-Regierung, also ein potenzielles Ziel von deren Rufmordspezialisten. Jeremy Corbyn, der ehemalige Labour-Vorsitzende, ist wohl das bekannteste Rufmord- und Kampagnenopfer der letzten Jahre. Ein Politiker mit linkem Programm wurde gejagt und erlegt, was man aus Sicht der neoliberalen Eliten und deren Teufelspartner Rupert Murdoch noch verstehen kann, so man sich in diese perversen Machtspiele denkt. Aber ein junger Fußballer? Warum dieser Hass gegen Rashford? Markus Rashford ist nicht irgendwer. Er ist wohl der sozial engagierteste Fußballer der britischen Sportgeschichte. Solch Engagement wird goutiert, zeigt aber stets die Unterlassungen der Oberschicht auf. Was diese ungern unter die Nase bekommt, stellt es sie doch wie gerade im Fall der Regierung Johnson in ihrer Menschenverachtung bloß.

(Foto: Twitteraccount Marcus Rashford. | Dank Rashford wurde Hunderttausenden Kindern die Essensversorgung gesichert.)

In der schlimmsten COVID-19-Pandemie-Phase drohte Tausenden bedürftiger Kinder in England blanker Hunger durch den Wegfall der Essensversorgung in Ferienzeiten. Rashford begriff das Problem und machte sich mit einem öffentlichen Brief an alle Abgeordneten des Unterhauses zum Fürsprecher dieser Kinder. Seine Popularität schaffte ein Bewusstsein für dieses Thema in der britischen Öffentlichkeit, der Druck auf die Johnson-Sparpolitik gegen die Schwachen und Armen wuchs. Schließlich musste die Regierung nachgeben, die Essensversorgung für bedürftige Kinder auch während der Schulferien durch Essensgutscheine fortsetzen. Das dafür nötige Hilfsprogramm kommt etwa 1,7 Millionen Minderjährigen zugute. Britische Zeitungen schrieben damals, Rashford sei eine bessere Opposition als Labour und hätte Boris Johnson ganz allein in die Knie gezwungen. So etwas vergisst das Establishment nicht und wartet auf seine Chance. Rashford war derweil unbeirrbar und engagiert. Er machte sich daran, gemeinsam mit seiner Mutter selber Essen auszufahren und tat dies in jeder freien Minute, spendete eigenes Geld, sammelte über 22 Millionen Euro bei Sponsoren und Spendenwilligen. Alex Ferguson, der legendäre Ex-Manager von Manchester United, sagte über Rashford: „Abgesehen von seinem Fußballleben ist das, was er in den letzten Monaten erreicht hat, wie er den Menschen in Not geholfen hat, eine wirklich erstaunliche Leistung. Dazu möchte ich ihm gratulieren. Er hat vor allem jungen Menschen gezeigt, dass es einen anderen Umgang mit dem Leben gibt. Er hat große Demut gezeigt, er hat Mut gezeigt, das zu tun, was er getan hat.“ Die Universität Manchester verlieh dem jungen Kicker sogar die Ehrendoktorwürde.

In der neuesten Ausgabe der konservativen Wochenzeitung „Spectator“ wird nun dieses Engagement von Marcus Rashford wie nach einem Drehbuch in Frage gestellt und herabgesetzt. Man wirft ihm die Zusammenarbeit mit bekannten Marken und Sponsoren vor, unterstellt ihm ohne Beweisführung, dies zum persönlichen Vorteil getan zu haben. Diesem substanzlosen Artikel soll hier kein Raum gegeben werden, stattdessen Rashford selber zitiert werden. Rashford äußerte sich dazu sehr offen in seinen sozialen Medien: „Der Spectator plant, morgen eine Geschichte über mich zu veröffentlichen, wie ich in den letzten 18 Monaten kommerziell profitiert habe. Um das klarzustellen, ich benötige für mich keine Markenpartner. Ich gehe Partnerschaften ein, weil ich meine Arbeit außerhalb des Spielfelds voranbringen möchte. Der größte Teil dessen, was ich dafür erhalte, trägt dazu bei. Letzten Sommer hatten 1,3 Millionen Kinder Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, durch meine Beziehung zu Burberry haben Kinder nach der Schule einen sicheren Ort, an dem sie mit Essen versorgt werden können. Aufgrund meiner Beziehung zu Macmillan haben jetzt 80.000 Kinder ein Buch, das sie ihr Eigen nennen können. Ich bin auch ein internationaler Fußballspieler von Manchester United und England. Warum muss es immer ein Motiv geben? Warum können wir nicht einfach das Richtige tun?“

(Foto: Twitteraccount von Marcus Rashford. | Dank Rashford haben Kinder erstmals Zugriff auf ein Buch.)

Die Methode des Rufmordes über eine vorgeblich seriöse Zeitung hat eine lange Tradition. Der „Spectator“ wurde übrigens einmal von einem Herausgeber mit Namen Boris Johnson geleitet. Wer denen unten etwas geben will und denen oben damit auf die Füße tritt, muss mit Gegenwind und Hass rechnen, egal ob jung oder alt, prominent oder unbekannt. Für die Methode von Verleumdung und Niedertracht, die dann zum Rufmord gesteigert wird, hat Helmut Schmidt 1996 in seinem Buch „Weggefährten“ passende Wort gefunden, die sich auf Kampagnen bezogen, die seine Weggefährten Willy Brandt, Herbert Wehner und Fritz Erler ertragen mussten: „Nicht nur zu ihren Lebzeiten, sondern auch noch nach ihrem Tode haben kleine und große Schweine immer wieder versucht, ihnen die Ehre abzuschneiden.“ Marcus Rashford wird und muss Helmut Schmidt nicht kennen. Aber von kleinen und großen Schweinen sollte er sich nicht aufhalten lassen. Der Dank von Kindern ist ihm vielleicht helfende Stütze. Die Kids danken ihm zu Tausenden mit vielen sehr persönlichen Botschaften Woche um Woche für eine warme Mahlzeit und ein bisschen Freude und Licht in ihrem tristen Leben. Was ist dagegen ein beschissener Elfmeter, erst recht ein verschossener?

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