Porträts

Nobler Brite in Hollywood

Was für eine Zuschreibung! Keiner konnte angeblich je ein Champagnerglas so elegant halten wie er. So schrieb und sagte man. Er selber amüsierte sich über eine Berufswelt, die auf solchen Klischees aufgebaut und bediente diese dann mit Eleganz und Lässigkeit. Der Mann kam aus einfachen Verhältnissen und wusste zeit seines Lebens die wichtigen von den unwichtigen Dingen zu unterscheiden. David Niven (geb. 1.3.1910 in London) war einer der charismatischsten und optisch einprägsamsten Schauspieler seiner Zeit. Der Londoner machte im britischen Kino und sehr schnell in Hollywood Karriere, spielte große Rollen und solche für den Broterwerb, seine Erscheinung und sein Spiel waren gefragt. Wie bei einem Schauspieler üblich, gab es auch bei Niven die typischen Hochs und Tiefs der Karriere. Diese verursachten auch bei ihm einiges, aber sie änderten weder Nivens Lebenseinstellung noch sein Auftreten oder seine Umgangsformen. Schon gar nicht seinen Charakter. Wer genau hinschaut, findet Niven sogar schon in einem legendären Film aus dem Jahr 1935. In ‚Meuterei auf der Bounty‘ spielt er eine winzige Nebenrolle. Dabei sieht er dem großen Charles Laughton als Kapitän Bligh bei der Arbeit zu, was ihn für seinen Beruf prägt. Außerdem freundet er sich mit dem zweiten Hauptdarsteller, dem Hollywoodsuperstar Clark Gable, der die Rolle des Fletcher Christian spielte, für das ganze Leben an. Es war dann David Niven der 1956 als Phileas Fogg in der ersten Verfilmung ‚In 80 Tagen um die Welt‘ einen Stilmaßstab setzte, an dem sämtliche Rollennachfolger bis heute scheitern mussten.

Niven bekam 1958 einen Oscar für den Major Pollock in ‚Getrennt von Tisch und Bett‘ von Delbert Mann. Dieser Major ist ein nach außen schneidiges Großmaul, der krankhafte Angst vor Frauen hat und diese nur im Dunkel eines Kinos befummeln kann. 1963 keine Furcht mehr vor Frauen als Gentleman-Gauner Sir Charles Lytton in Blake Edwards vorzüglicher Krimikomödie ‚Der rosarote Panther‘. Wer Nivens Eleganz sah, konnte gut verstehen, dass die wunderschöne Capucine lieber mit diesem Ganoven Bett, Diamanten und Leben teilte als mit dem trotteligen Ehegatten Inspektor Clouseau. Auch die Augen der jungen Claudia Cardinale (Prinzessin Dala) weiteten sich beim Anblick von Niven, der um seinen Charme wusste und diesen auch einsetzte. Spätesten hier war Niven im filmischen Schauspielolymp angekommen.

David Niven

Zum Handwerk des Schauspielers kam bei Niven noch das außerordentliche Talent eines begabten Schriftstellers hinzu. Niven sonderte nicht, wie heute üblich, irgendwelchen Müll ab, um dann mit Promistatus ein Buch vorzuweisen. Beim Filmstar Niven paarte sich ein beeindruckendes Erinnerungsvermögen mit einer guten Schreibe. Die in den 70er-Jahre auch in Deutschland veröffentlichten Erinnerungen ‚Vielleicht ist der Mond nur ein Luftballon‘ und ‚Stars, die nicht vom Himmel fielen. Hollywood und alle meine Freunde’ wurden gefragte und gelesene Bestseller rund um den Globus. So haben wir seinem Schreibstil die wohl besten Erinnerungen zu verdanken, die je über die goldene Ära der Traumfabrik verfasst wurden. Darin beeindruckende Porträts und Geschichten über viele bekannte Gesichter des Kinos. Das Kapitel über den Flugzeugabsturz von Carole Lombard und die fürchterliche Verzweiflung ihres Ehemanns Clark Gable ist ein erschütterndes und eindrucksvolles Szenario ohne jedweden Voyeurismus. Auch Niven hatte Schicksalsschläge zu verkraften. Seine erste Frau und Mutter seiner zwei Söhne, Primula Rollo, starb 1946 an den Folgen eines schweren Treppensturzes. Für Niven kehrte, anders als für Gable, das Partner-Glück zurück. Mit seiner zweiten Frau Hjördis Genberg war Niven bis zu seinem Tod 35 Jahre verheiratet und adoptierte später noch zwei Mädchen, denen die Nivens ein besseres Leben ermöglichen wollten.

Guardian: „Beste Hollywood-Biographie aller Zeiten.“

Dieser Schauspieler und Buchautor war durchaus ein Mann mit Eigenschaften, welche über Hollywood und Bestseller weit hinausgingen. Ehrbarkeit, Mut, Intelligenz, persönliche Tapferkeit und Integrität sagten ihm jene nach, die ihn gut und lange kannten. Niven musste im 2. Weltkrieg nicht eingezogen oder auf einen für Berühmtheiten vorbehaltenen Drückebergerplatz gesetzt werden. Obwohl seine Filmkarriere gerade richtig Fahrt aufnahm, er viele gute Rolle gespielt hatte und tolle Angebote auf ihn warteten, unterbrach er seine Arbeit. Niven meldete sich freiwillig und umgehend, als sein Land in Gefahr und Hitler mit der Wehrmacht Europa überrannte. Dennoch empfahl die Britische Botschaft in Washington, britischen Schauspielern lieber in den USA zu bleiben, es sei dort sicherer für sie. David Niven hielt sich nicht an diesen Rat. Er war ein bestens ausgebildeter Soldat. 1928 besuchte Niven das Royal Military College in Sandhurst. Er schloss seine Ausbildung dort 1930 mit einem Offizierspatent der British Army ab. Niven wurde mit Kriegsbeginn sofort eingesetzt und stieg als Offizier wegen seines enormen Verständnisses militärischer Sachverhalte schnell und stetig auf. Es waren vor allem Soldaten, die im Krieg mit Niven kämpften, die den außerordentlichen Mut dieses Offiziers immer wieder betonten und erzählten, wie viele Leben von Kameraden Niven rette, die von anderen schon aufgegeben waren.

Lt Col Niven an D-Day in der Normandie.

David Niven brachte es im Krieg bis zum Lt Col (Lieutenant Colonel, Oberstleutnant) und war bei der Landung in der Normandie Teil des GHQ Liaison Regiment (Kampfname ‚Phantom‘), einer speziellen Aufklärungseinheit für Aufgaben an vorderster Front. Im Unterschied zu vielen Maulhelden sprach Niven nach dem Krieg nicht über seine Zeit in der Armee und seine Weltkriegserlebnisse. Horrende Summen, die ihm von Verlagen für Kriegserinnerungen angeboten wurden, lehnte er bis an sein Lebensende ab. Eines ist allerdings von Nivens Familien- und Bekanntenkreis übermitteln und bezeugt. Niven hatte ein Leben lang besondere Verachtung für jene Politiker und Journalisten, die über den Krieg berichteten und diesen, wie ihre eigene Rolle darin, schamlos verherrlichten und aus dem Gemetzel noch Kriegsprosa fabrizierten. Einmal hat Niven dann doch noch persönlich etwas zum Krieg gesagt, es war das erste und das letzte Mal.

Nur eines werde ich Ihnen über den Krieg erzählen. Es ist meine erste und meine letzte Geschichte dazu. Ich wurde von einigen amerikanischen Freunden gebeten, das Grab ihres Sohnes in der Nähe von Bastogne aufzusuchen. Es befand sich dort, wo sie es mir gesagt hatten. Es war unter 27.000 anderen Gräbern gefallener Soldaten. Da schwor ich mir, Niven, hier sind 27.000 Gründe, warum du nach dem Krieg den Mund halten solltest.

Obwohl Niven ein echter Paradebrite war, wurde er nicht geadelt, der Sir ihm von der Königin nicht verliehen. Was merkwürdig, weil unter durchaus ehrbaren Leuten auch viele schlimme Strolche sich damit schmücken dürfen. Nivens Schauspielerkollege Albert Finney hat auf den Sir immer verzichtet, jedes Ansinnen, ihm diesen zu verleihen, kategorisch abgelehnt. Für Finney war die Gesellschaft vieler anderer Titelträger einfach zu schlecht. Über David Niven ging das Boulevardgerücht um, er hätte ein Tête-à-Tête mit der Schwester der Queen, Prinzessin Margaret gehabt, welches zu einem Techtelmechtel führte. Darum verweigerte die Queen angeblich den Titel. Solche Geschichten passten damals wie heute gut zu Hollywood und scheinen doch eher einer Märchenwelt entsprungen, als eine wahre Basis zu haben. Ähnlich verhält es sich mit der Rettung von Marlene Dietrich vor anrückenden Wehrmachtstruppen, die Niven organisiert haben soll. Marlene Dietrich, im 2. Weltkrieg so heldenhaft wie Niven, brauchte vieles in der Nachkriegszeit, aber falsche Geschichten über den Krieg gehörten nicht dazu. Den echten Krieg hatte sie, wie eben auch Niven, in seiner ganzen Härte kennengelernt.

Nach dem Krieg konnte Niven schnell wieder an alte Erfolge in Hollywood und im europäischen Film anknüpfen, seinen Ruhm stärken und ausbauen. Seine Rollen und sein Gesicht gehörten jedenfalls für einige Jahrzehnte zum Kino- und Filminventar. Darunter Filme, die dem Gelderwerb dienten und nicht der Rede wert. Aber auch Streifen mit außerordentlich hohem Niveau und Anspruch, wie Otto Premingers ‚Bonjour Tristesse‘ nach dem gleichnamigen Roman von Françoise Sagan.

Jean Seberg, David Niven, Deborah Kerr in ‚Bonjour Tristesse‘. (Screenshot)

Die französische Schauspielerin Mylène Demongeot gehörte damals zur Crew von ‚Bonjour Tristesse‘ und sagte 2015 in einem Interview über David Niven:

Er war wie ein Lord, er gehörte zu den großen Schauspielern, die außergewöhnlich waren, Individuen mit viel Klasse, Eleganz und Humor.

In der Zeit seiner großen Erfolge vor der Kamera gehörte David Niven zu den Gründern einer sehr erfolgreichen Filmproduktionsfirma. Niven gehörte mit hohen Gagen und anderen Engagements über viele Jahre zu den Spitzenverdienern des internationalen Filmjetsets. Niven machte nie einen Hehl daraus, dass der Wohnortwechsel nach Château-d‘Œx in die Schweiz nicht nur landschaftliche, sondern auch steuerliche Gründe hatte. Familie war Niven immer so wichtig, dass er alle, sofern es sich mit Schul- und Ferienzeiten vereinbaren ließ, gerne zu den Dreharbeiten mitnahm.

Familie Niven 1958 auf dem Flughafen Kopenhagen. Der Familienhund dabei.

Natürlich darf bei einem Mann wie Niven der britische Humor nicht fehlen, davon hatte Niven nämlich eine Menge und er wusste ihn auch jederzeit mit Schlagfertigkeit und Finesse einzusetzen. Im Jahr 1974 wurde David Niven für die jährliche Oscar-Verleihung als Moderator engagiert. Mitten in einer Moderation von Niven lief ein nackter Mann hüpfend über die Bühne, die sogenannten ‚Flitzer‘, mit dem Drang, die Mitwelt an ihrer Hüllenlosigkeit teilhaben zu lassen, kamen gerade überall in Mode. Das Publikum im Saal johlte, während die bigotten Amerikaner vor ihren TV-Geräten stutzten. Niven blickte dem nackten und nun flüchtenden Herrn schmunzelnd hinterher, bevor er sich mit einem längst unsterblichen Bonmot erneut dem Mikrofon zuwandte:

Ist es nicht ein faszinierender Gedanke, dass wahrscheinlich das einzige Lachen, das ein Mann jemals in seinem Leben bekommen hat, darin bestand, sich zu entkleiden, um seine Mängel in aller Öffentlichkeit auszustellen?

Der Tod dann wie so oft ohne jede Ironie, immerhin eher erlösend als unerwartet, weil sich vorher mit unheilbarer Krankheit ankündigend. 1980 begann Niven manchmal die Kontrolle über seine Stimme zu verlieren. Zuschauer einer Talkshow aus dem Jahr 1981 glaubten sogar, Niven sei betrunken oder hätte einen Schlaganfall erlitten. Es kam schlimm. Noch im selben Jahr wurde bei ihm Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert. Sein letzter Auftritt in Hollywood stand 1981 schon unter dem Fallbeil dieser Diagnose. Das Ende und der Weg durchs Sterben sind hier nicht zu berichten, es geht niemanden etwas an. Am 29.7.1983 starb David Niven daheim in Château-d‘Oex, Schweiz. Man pflegt heute gern zu sagen: Kein Alter. Nun ja. Es folgte noch ein sehr menschliches Nachspiel.

Grab von David Niven auf dem Friedhof in Château D’Oex (Schweiz).

Über den Tod hinaus noch eine große und unerwartete Ehre für David Niven, die ihn zutiefst erfreut hätte, so hat es seine Familie bekundet. Bei der Beerdigung von Niven tauchte ein Kranz auf, der für den Anlass und den Stil des Verstorbenen etwas zu überdimensioniert. Dieser Kranz kam aber nicht aus Protz, sondern aus tiefer Dankbarkeit mitten aus dem Herzen von London, von Menschen, für die Niven immer etwas übrig hatte. Niven benahm sich im Unterschied zu vielen Prominenten damaliger und heutiger Zeit immer außerordentlich zuvorkommend und voller Achtung gegenüber sogenannten „kleinen Leuten“. Denen bekundete er für ihre Arbeit und ihr Leben stets ehrlichen und großen Respekt. Ob nun ein freundlicher Tagesgruß, ein Trinkgeld oder ein ausgesprochener Dank. Die Menschen erinnerten sich an Niven. Der Kranz jedenfalls war Resultat einer Sammlung der Gepäckträger des Londoner Flughafens Heathrow. Die Karte am Kranz enthielt den letzten Gruß der Gepäckträger jenes Flughafens, den Niven so oft nutzte:

An den besten Gentleman, der jemals durch diese Hallen gegangen ist. Er machte es, dass einfache Gepäckträger sich wie Könige fühlten.

 

 

 

 

 

 

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