Kultur

Stilvoll

Für Stones-Fans einer dieser historischen Augenblicke der Band-Geschichte, derer es so unzählige und legendäre gibt. Nach 59 Jahren die erste Show ohne Charlie Watts. Der Stones-Drummer verstarb am 24. August 2021 in London. Nun ging die wegen der Corona-Zeiten ohnehin später beginnende „No Filter Tour“ der Rolling Stones durch die USA los und begann am 26. September 2021 im „The Dome at America’s Center“ in St. Louis/Missouri. Die gigantische Show öffnete mit nur einem Trommelschlag die leere Bühne, dabei Bilder und Videos von Watts auf vier riesige Multimediawände projiziert. Diese Hommage endete mit dem eingefrorenen Standbild eines lächelnden Charlie Watts und hinterließ ein emotional getroffenes Publikum und donnernden Applaus. Dann erschienen seine alten Kumpane auf der Bühne und legten sofort los. Eines darf man nicht vergessen. Die Rolling Stones sind längst ihr eigenes Imperium, ihre Fahrzeugkolonnen von Hotel zum Auftrittsort ähneln denen amerikanischer Präsidenten, die Gelddruckmaschine will am Laufen gehalten werden. The Show must go on. Die Marke „The Rolling Stones“ ist ein profitables Wirtschaftsunternehmen, welches fest auf drei Säulen steht: Touren, Alben und Songrechte. Die geschätzten 400 Millionen Euro auf Mike Jaggers Konto und die 300 Millionen Euro auf der Habenseite von Keith Richards kommen nicht vom Flaschensammeln. Für dicke Sentimentalität ist da kein Platz. Keiner wusste dies besser als der Stoiker Charlie Watts. Dem waren persönliche Aufmerksamkeit und Rührseligkeit sowie stets zuwider.

Letzter Gruß an Charlie Watts. (Screenshot Stones-Konzert in St. Louis, 26.09.2021)

Am Schlagzeug der Stones nun Watts‘ guter Freund Steve Jordan, der seine Sache ausgezeichnet machte. Ein Vergleich oder ein Abwägen verbieten sich. Watts war ein legendärer Schlagzeuger, ein echter Rolling Stone und Teil des einmaligen Sounds dieser Band. Außerdem war Watts einer der Giganten seines Fachs und wurde zu den besten Schlagzeugern der Geschichte gezählt. Ein ausgezeichneter Drummer unserer Zeit und langjähriger Stones-Partner auch Steve Jordan. Natürlich hörte man die Veränderung, etwas ist nicht mehr da und offenkundig nicht mehr herstellbar. Dafür klangen gewohnte Dinge neu und eben anders, einiges gewöhnungsbedürftig, manches toll. Sei’s drum. Die Stones werden weiter machen, sie haben diese emotionale Hürde genommen. Mitten im Programm unterbrach Jagger dann doch für ein persönliches Wort. Sind Jagger/Richards auch kühle Geschäftsmänner und nicht gerade zart besaitet, können selbst eine traurige Stunde zu einem Nutzen mehren, so war ihnen dabei dann doch eine innere Beteiligung anzumerken. Die Worte Jaggers über Charlie kamen bewegt und nicht rührselig. Stilvoll sagten seine Bandkollegen Adieu. Keith Richards griff sogar die Hand von Jagger. Welch seltene Geste dieser alten Rocker, die über ein halbes Jahrhundert Kreativität und Hassliebe zusammenschweißte. Daneben Ron Wood. Die drei werden nun den Mythos Rolling Stones allein weitertragen, Mick Taylor und Bill Wyman bereits in „Rente“. Jagger, Richards und Wood bleiben tapfer in der Spur, dem Alter und dem Tod noch eine Zeit lang davonzulaufen. Gut zu wissen.

„Ich muss jedoch sagen, dass es im Moment eine ergreifende Nacht für uns ist, denn es ist unsere erste Tour seit 59 Jahren, die wir ohne unseren lieben Charlie Watts gemacht haben. Und wir alle vermissen Charlie so sehr. Wir vermissen ihn als Band, wir vermissen ihn als Freund auf und neben der Bühne und wir haben so viele Erinnerungen an Charlie. Ich bin sicher einige von euch, die uns schon einmal gesehen haben, haben Erinnerungen an Charlie. Ich hoffe, ihr werdet euch genauso an ihn erinnern wie wir, deshalb möchten wir diese Show Charlie widmen.“ (Mike Jagger)

*Titelbild: Ron Wood, Mike Jagger, Keith Richards (Screenshot Stones-Konzert St. Louis, 26.09.2021)

 

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