Porträts

Namenswahl

Sich King Charles zu nennen liegt sicher auf der Hand und erscheint logisch wie unkompliziert. In der Symbolik wirkt diese Wahl für Außenstehende nicht sonderlich gelungen. Zumal ein neuer König oder eine neue Königin das Privileg haben, sich einen Namen auszusuchen. Also ähnlich einem neuen Papst, was nicht so weit weg liegt, da auch der Monarch über das Vereinigte Königreich ein Religionsführer, nämlich Herrscher über die Church of England, also die Anglikanische Kirche ist. Der ewige Prinz Charles ist nun im Alter von 73 Jahren dort angekommen, wofür ihn seine Geburt vorgesehen. Berufseinstieg im Rentenalter. Mit der schnellen Wahl seines Namens King Charles III schlug er jedenfalls sofort Pflöcke ein, damit nicht einige umgehend vom Thronverzicht flüstern und auf seinen Sohn William zeigen, den viele Leute lieber sofort als neuen König gesehen hätten. Nun ist Charles, was er immer sollte und sicher auch wollte. König. Für ihn wird die Nationalhymne geändert. Vom God Save the Queen geht’s sofort zum God Save the King. Auf Geldscheinen und Münzen werden britisches Pfund und Penny bald das Konterfei von Charles III tragen. Wer kann so etwas schon von sich sagen, wenn er einen neuen Job antritt?

Parlamentarier, Kriegsherr, Lordprotektor. Oliver Cromwell (1599 – 1658) hatte mit Charles I und Charles II in vielerlei Dingen „zu tun“. (Zeitgenössisches Gemälde)

King Charles III erinnert, ob er will oder nicht, wegen des Namens natürlich an Charles I, der König von 1625 bis 1649 war. Dieser Charles I führte Krieg gegen das Parlament, paktierte mit Spanien und anderen Katholiken. Zusammengenommen kostete ihm das nach Verurteilung durch das Parlament den Kopf, der ihm vom Henker abgeschlagen wurde. Der republikanisch parlamentarische Gegenspieler der Monarchie, Oliver Cromwell, wurde Lordprotektor und Herrscher. Die Monarchie gleichzeitig abgeschafft. Als Cromwell starb, kam der Sohn des geköpften Charles I zurück und regierte als Charles II von 1660 bis 1685 auf dem Thron seines Vaters. Rachsüchtig ließ er die Leiche von Cromwell aus der Erde buddeln, dieser den Kopf abschlagen und den auf eine Stange aufgespießten Schädel gegenüber dem Parlament von den Londoner Raben zerfressen. Charles II war als König von England, Schottland und Irland auch der letzte absolutistische Herrscher seiner Nation. Seine Nachfolger mussten sich dem Parlament beugen. Bis diese Nachfolger kamen, ließ Charles II nur wenige Katastrophen aus. Er stürzte das Land in außenpolitische Dilemma, schürte Glaubenskonflikte, löste das Parlament auf und regierte von da an absolutistisch. Nebenher betrieb er eine umfängliche Mätressenwirtschaft und Hurerei, die damals bei Hofe und im Adel in vielen Ländern Gewohnheit und üblich, noch heute bei Blaublütern kein Fremdwort. In der Herrschaftszeit von Charles II erlebte London eine verheerende Pestepidemie und später den „Großen Brand“, der Teile der Stadt völlig vernichtete. Ob auf solchen Namenspatronen Segen liegt? Wer weiß. Elizabeth II trug dagegen den Namen einer großen Vorgängerin und eines großen Zeitalters. Es gelang ihr eindrucksvoll, beidem viel Ehre zu machen.

Beeindruckende Maßstäbe gesetzt. Elizabeth II. Sympathieträgerin der britischen Nation. (© Website The Royal Family)

Der Souverän (König oder Königin) beauftragt nach erfolgtem Wählerwillen den Sieger mit der Regierungsbildung, eröffnet das Parlament mit einer Rede, die aus der Feder des Premierministers und repräsentiert als Staatsoberhaupt. Noch sind Monarch und Monarchie den Briten sehr wichtig. Noch. Doch es könnte enger werden. Viel hing an der bisherigen Königin. Elizabeth II war die Kraft, die alles zusammenhielt. Heutige Generationen der Windsors verfügen über diese Ausstrahlung und historische Dimension der verstorbenen Monarchin nicht mehr. Dies noch in einer wirtschaftlich, sozial und politisch katastrophalen Zeit, wo immer mehr Briten schwerwiegende Sorgen haben, eher wenig darüber nachdenken, was jetzt oder künftig gerade im Königshaus los. Als die Redakteure und Moderatoren der ehrwürdigen BBC den Tod von Elizabeth II und den Thronwechsel vermeldeten, dabei darauf verwiesen, das Ereignis sei wichtiger und bedeutender als die aktuelle Energie- und Lebenshaltungskrise, erntete der Sender viel Kopfschütteln im Land und allerhand Unverständnis. Der neue König Charles III wird darum wissen und den Versuch starten müssen, Altes zu bewahren und einen erkennbaren Neuanfang aufzuzeigen, der auf breite Akzeptanz stößt. Ob ihm das gelingt? Die Leute auf der Straße empfingen ihren King Charles bei seiner Ankunft in der Hauptstadt sehr freundlich, wohlwollend und sogar herzlich. Eine gute Vorlage für den neuen König, wenn man auch, was im Ausland oft und falsch getan wird, London nicht mit England und Großbritannien gleichsetzen sollte. Die Briten und wir Kontinentaleuropäer werden sehen und hören, was die Zukunft bringt. Gerade bei Blaublütern passiert ja selten etwas, was die Welt nicht von irgendwelchen Hofberichterstattern brühwarm serviert bekommt. Das neue Staats- und Kirchenoberhaupt von Großbritannien, der als engagierter Umweltschützer gilt, wird sicherlich seine Akzente setzen und nicht zusehen wollen, wie das Land endgültig von den Tories ruiniert wird. Seine Spielräume allerdings gering. Diese zu nutzen, verstand seine Mutter viele Jahrzehnte meisterhaft. Möge es King Charles III auch gelingen. Dann mal los und God Save the King.

Die Monarchie ist so außerordentlich nützlich. Wenn Großbritannien eine Schlacht gewinnt, ruft es God save the Queen“. Wenn es verliert, wählt es den Premierminister ab. (Winston Churchill)

*Titelbild: King Charles III noch als Thronfolger (© Website Prince of Wales)

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